16. Spieltag 1962/63: SG Dynamo Dresden - SC Dynamo Berlin 1:0

Dresdens Kampfgeist belohnt / Dynamo Berlin im Sturm zu unentschlossen / Gastgeber gegen Spielende überlegen
Dem Hallenser Beispiel folgend wurde an diesem verschneiten Sonnabend Nachmittag auf den Rängen des Dresdener Rudolf-Harbig-Stadions ein wahres Miniaturfeuerwerk abgebrannt. Es war genau zwei Minuten vor Schluß des für Dresden so hochwichtigen Heimspieles, und 8.000 Zuschauer hatten zu diesem Zeitpunkt auch allen Grund zur Freude. Fast dreißig Minuten lang berannte Dynamo Dresden das Tor des Berliner Namensvetters, verbuchte eine ganze Reihe Erfolgschancen, aber immer wieder war entweder der Fuß eines Berliners dazwischen oder aber machte Bräunlich alle noch so berechtigten Hoffnungen zunichte. So, als Ziegler in der 68. Minute endlich einmal an Skaba vorbeikam, nach innen flankte und das Leder vom Fuß Bleys an den Innenpfosten und von dort wieder ins Feld sprang.

So auch zwanzig Minuten danach, als Rechtsverteidiger Wühn ein langes Solo riskierte und urplötzlich aus ein gut dreißig Metern abschoß. Mit letztem Einsatz drehte Bräunlich diesen Scharfschuß über die Querlatte. Dann aber wurde der unerhört große kämpferische Einsatz der Dresdner Dynamos doch noch belohnt: Den zweiten Eckball hintereinander hob Ziegler gefühlvoll herein, Bley versuchte eine verzweifelte Abwehrparade, doch von seinem Kopf kam der Ball zu Gumz, der in dieser entscheidenden Situation, da alles schon an eine Punkteteilung dachte, die Kaltblütigkeit und die Nerven besaß, die letzte Chance zu nutzen und unmittelbar neben dem rechten Torpfosten einzuköpfen. Dieser Doppelpunktgewinn war - wir sagten es bereits - das Ergebnis einer hohen kämpferischen Moral von Dynamo Dresden, die über manche Mängel rein spielerischer Art hinwegsehen ließ.

Mängel, die einmal im recht glatten Schneebelag ihre Ursache hatten und die es dem Kritiker verständlicherweise schwermachen, hier mit besonders harten Maßstäben zu messen. Mängel aber auch, die im taktischen Unvermögen zu suchen sind, sich dem Zustand des Spielfeldes anzupassen, alle unnützen Kombinationen auf engem Raum zu unterlassen und dafür - wie es Dynamo Berlin eine geraume Zeit demonstrierte - mit weiten Steil- und Diagonalpässen zu operieren. Dazu kam, daß ausgerechnet "Leichtgewicht" Siede an diesem Tag ein glatter Ausfall war. Um so erstaunlicher die Leistung des körperlich weit schwereren Leglers. Die Deckung der Dresdner hatte im sich gut ergänzenden Läuferpaar Oeser/Hofmann, vor allem aber in Haustein, dessen Formanstieg auch weiter anhält, und in Noske ihre besten Stützen. Die Berliner werden ob dieser zweiten Niederlage hintereinander mit ihrem Schicksal hadern.

Doch was nutzt es, wenn sie - wie schon am Vorsonntag - die Schuld für den erneuten Punktverlust bei sich selbst suchen müssen. Zugegeben, der SC Dynamo fand nach einer anfänglichen Druckperiode des Gegners zuerst die für den Schneebelag richtige Einstellung. Mit weiten Schlägen aus der eigenen Deckung wurde vor allem der eminent schnelle Außen Geserich nach vorn geschickt, dessen Flankenläufe mehr als nur einmal höchste Gefahr bedeuteten. Vor dem gegnerischen Tor aber fehlte es dann vor allem dem Innentrio an der nötigen Entschlossenheit, machte sich der Mangel bemerkbar, auch einmal einen Weitschuß zu riskieren, der - besonders als Aufsetzer geschlagen - bei dem glatten Geläuf vom Torwart nur schwer zu berechnen war.

SG Dynamo Dresden:
Noske; Wühn, Haustein, Prautzsch; Oeser, Hofmann, Ziegler; Pahlitzsch, Gumz, Siede, Legler
SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Heine, Skaba; Becker, Bley, Schmidt; Klingbiel, Schnaase, Schröter, Geserich

1:0 Gumz                 (88.)

Schiedsrichter:          Meissner (Dommitzsch)
Zuschauer:               8.000

Herbert Heidrich, Neue Fußballwoche, 05.02.1963