15. Spieltag 1962/63: SC Dynamo Berlin - SC Chemie Halle 1:2

Halles Elan und Angriffsschwung sicherten den Sieg / Halle fand schnell das richtige Rezept
Es gibt keinen Grund im Dynamolager, mit dem Schicksal zu hadern. Dieser Sieg der jungen Hallenser Chemie-Elf ist hochverdient. Der Kampfgeist der gesamten Mannschaft und der Schwung ihres klug spielenden Angriffs besiegten eine Dynamo-Mannschaft, die, nach den ersten zehn Minuten zu urteilen, fest entschlossen schien, die Erfolgsserie des Pokalverteidigers aus der Saale-Stadt stoppen zu wollen. Die größten Chancen der Berliner lagen jedenfalls in dieser ersten Zeit des Spiels. Schnaase, Klingbiel und wieder Schnaase nach einem Fehlschlag Okupniaks hatten es kurz hintereinander vor den Füßen, diese druckvollen Minuten mit Torerfolgen zu krönen. Chemie überstand diese gefährliche Anfangszeit. Und nicht nur das. Urplötzlich hatten sich die durchweg schnellen Leute freigekämpft, hielten sie mit.

Und immer deutlicher wurde es den 3.000 Zuschauern, daß die Männer Heinz Krügels das bessere, einzig richtige Rezept auf diesem Schneeboden gefunden hatten und bis zum Schluß auch verfolgten. Mit weiten, scharf geschlagenen Bällen diagonal oder steil auf die Flügel schickten sie ihre erstaunlich ballsicheren Leichtgewichte in die freien Räume. Dynamo tat es ihnen gleich. Aber zu umständlich ging das in den Reihen der Berliner vor sich, zu wenig direkt, zu wenig schnell (Unglaube). Und doch gelang Dynamo der Führungstreffer (25. Minute). Einen unnötigen Hackentrick G. Hoffmanns, den Urbanczyk nie erwarten und nicht bekommen konnte, erlief sich Geserich. Seine flache Eingabe stoppte Klingbiel, und gegen seinen straffen Schuß wußte Wilk keine Abwehrmöglichkeit. Aber wer geglaubt hatte, daß der Kampfgeist der Hallenser damit gebrochen war, daß sie ihre Linie verlieren würden, sah sich getäuscht.

Chemie suchte unbeirrt weiter die Chance im entschlossenen Angriffsspiel. Klug wurden besonders auf dem linken Flügel Schwerpunkte und zahlenmäßiges Übergewicht am Ball geschaffen. Immer wieder schlug der wohl beste Mann auf dem Felde, Linksläufer Walter, seine Vorlagen dorthin, und die leichtfüßigen Topf und der stets im rechten Augenblick nach links wechselnde Schimpf wußten sie gut zu verwerten. Besonders der kleine Rechtsaußen bereitete den gewiß nicht schwachen Stumpf die allergrößten Schwierigkeiten. So fiel auch der Ausgleich nach Vorarbeit auf diesem Flügel. Lehrmann nahm in der 38. Minute einen flachen Paß von links auf und schoß direkt ab. Die zweite Halbzeit brachte kein anderes Bild. Chemie hatte genügend Kondition, um das Tempo zu halten und sogar zu steigern. Die heiklen Situationen vor dem Tor der Berliner häuften sich. Aber für die Entscheidung sorgte ausgerechnet Rechts-Verteidiger Stumpf mit einem unglücklichen Selbsttor.

Zu schade eigentlich. Denn Chemie war allemal in der Lage, den Sieg selber sicherzustellen. Serienweise überliefen die Stürmer die Dynamo-Abwehr, und Bräunlich mußte oftmals alles Können aufbieten, weitere Verlusttreffer zu verhindern. In der 55. Minute läßt Topf den rechten Verteidiger stehen, seine Flanke verpaßt Meißner nur um Zentimeter mit dem Kopf. Kurz danach trifft Mittelstürmer Stein mit einem Kopfball nur die Latte. Den Nachschuß meistert Bräunlich, gedankenschnell reagierend. Wenig später stoppt Stein eine Flanke mit der Brust, schießt sofort ab, Bräunlich hält auch diesen schweren Ball. Da nutzte auch das Aufbegehren Dynamos in den Schlußminuten nichts. Mit Ersatztorhüter Walter für den fünf Minuten vor dem Ende verletzten Wilk hielt die kompromißlose Abwehr der Chemiker ihren Strafraum rein und den Vorsprung. Der Kampf in der Steffenstraße in Berlin bewies es deutlich: Halles Erfolge kommen nicht von ungefähr. Diese Mannschaft kann spielen, gut und erfolgreich spielen.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Heine, Skaba; Mühlbächer, Bley, Klingbiel; Unglaube, Schnaase, Schröter, Geserich
SC Chemie Halle:
Wilk; Urbanczyk, K. Hoffmann, Okupniak; G. Hoffmann, Walter, Schimpf; Meißner, Stein, Lehrmann, Topf

1:0 Klingbiel            (25.)
1:1 Lehmann              (38.)
1:2 Stumpf               (51., Eigentor)

Schiedsrichter:          Bergmann (Hildburghausen)
Zuschauer:               3.000

Willi Conrad, Neue Fußballwoche, 29.01.1963