09. Spieltag 1962/63: SC Dynamo Berlin - SC Lok Leipzig 2:0

Keiner übertraf das Mittelmaß! / Was ist von Lokomotives einst so imponierender Spielweise geblieben?
Welch erschreckend niedriges Niveau hat dieser Kampf doch aufgewiesen! Die Planlosigkeiten überboten sich im Verlauf der 90 Minuten auf beiden Seiten, und in erster Linie waren Fehlerquellen beim Gegner bestimmend für die eigene Spielgestaltung. Es gab derer allzuviel, als daß wir in unserer Punktbewertung Nachsicht walten lassen könnten! Uns sind die Leipziger als Mannschaft in guter Erinnerung, die sich mit einem gepflegten Kombinationsspiel zu behaupten weiß und deren technische Durchbildung vormals von allen anerkannt wurde. Wir müssen mit nicht geringer Enttäuschung konstatieren, daß davon im Moment nichts zu sehen ist, daß die Zufälligkeiten und offensichtlichen Mängel beim Spielaufbau das Maß des Gewohnten bei weitem übersteigen.

Denn vergessen wir eins nicht: Der gastgebende Club riß sich bei weitem kein Bein aus und litt ganz offensichtlich unter der Formschwäche einiger sonst spielbestimmender Akteure - trotzdem prägte er das Spiel von der ersten Minute an im sicheren Gefühl dessen, einem Partner von höchst unbefriedigendem Format gegenüberzustehen! Wir sahen von der Leipziger Elf in keiner Phase wirklich auch nur andeutungsweise, daß sie gegenwärtig erheblich mehr zu leisten in der Lage ist. In der Sturmreihe spielte fast jeder am Nebenmann vorbei, wurde in vielen Fällen ohne Überlegung ein Paß geschlagen. Sosehr auch Drößlers Bemühen im Mittelfeld offensichtlich war, durch das eigene gute Beispiel Auftrieb zu schaffen - an diesem Tag war es ein völlig ergebnisloses Vorhaben. Doch in noch weitaus stärkerem Maße erschütterte uns das nahezu desinteressierte und von Fehlern nur so strotzende Spiel des gewiß talentierten Verteidigers Gießner, von dem wir viele gute Leistungen in Erinnerung haben.

Was er sich diesmal leistete, entsprach in keiner Hinsicht den Erfordernissen eines mannschaftsdienlichen Spiels, sondern lieferte dem Gegner praktisch reihenweise die Möglichkeiten in die Hand. Hier insbesondere lag der Ausgangspunkt für zahllose gefährliche Attacken des SC Dynamo! Leider paßte sich die Berliner Elf dem unzureichenden Niveau über weite Strecken an, ließ ungewohnte Zuspielschwächen aus Abwehr und Läuferreihe heraus erkennen und gefiel sich allzuoft im wenig erfolgversprechenden Zusammenspiel auf engem Raum. Es gab eigentlich nur zwei Lichtblicke, die man festhalten sollte: einmal Geserichs verständnisvolles Operieren weit aus der eigenen Hälfte heraus, dem schließlich aber die Krönung durch einen straffen Schuß fehlte, zum anderen einige glanzvolle Pässe des Halblinken Schröter. Selbst wenn unser Rekord-Internationaler nicht beste Verfassung aufweist, so vermag er doch in entscheidenden Momenten durch seine Umsicht und das beispielhafte Einfühlungsvermögen den Ablaut zu beeinflussen.

Wir sahen es nicht nur beim ersten, von ihm wohldurchdacht vorbereiteten und ausgeführten Treffer, sondern auch in der Folgezeit. Es waren tatsächlich die einzigen positiven Momente, an die wir uns im Verlauf der Begegnung klammern konnten. Sagt das nicht alles über ihren Wert aus ...? Vielleicht werden die Leipziger darauf verweisen, daß ihnen Walthers Feldverweis nach einem Foul am durchlaufenden Schnaase (technisch verbessert) gleich nach Halbzeit einen gewaltigen Nachteil einbrachte. Insofern stimmt es, daß die Mannschaft nun zahlenmäßig unterlegen war. Doch wir glauben nicht, daß sie selbst bei gleichverteilten Kräften noch eine Wendung hätte erzwingen können. Dafür hatte bis zu jener ominösen 48. Minute (Schröters Strafstoßball parierte Nauert sogar!) nichts darauf hingedeutet!

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Stumpf, Heine, Skaba; Mühlbächer, Maschke, Klingbiel; Unglaube, Schnaase, Schröter, Geserich
SC Lok Leipzig:
Nauert; Gießner; Walther (48. Platzverweis), Herrmann, Slaby; Drößler, Gase, Fischer; Dallagrazia, Seidlitz, Gawöhn

1:0 Schröter             (35.)
2:0 Heine                (56.)

Schiedsrichter:          Schilde   (Bautzen)
Zuschauer:               3.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 23.10.1962