08. Spieltag 1962/63: ASK Vorwärts Berlin - SC Dynamo Berlin 0:0

Begeisternder Schlußpurt - doch leider keine Treffer! / Zufriedenstellende Partie mit echten Höhepunkt in der letzten Viertelstunde / Erst nach 30 Minuten fand der ASK den Faden
Welche dramatische Zuspitzung hat dieses Berliner Derby doch in seiner Schlußphase erlebt! Die 10.000 Zuschauer, unter ihnen das Mitglied des Politbüros des ZK der SED, Erich Honecker, der Minister tut Staatssicherheit, Generaloberst Erich Mielke, und der Präsident des DTSB, Manfred Ewald, erfreuten sich besonders in dieser Phase an der Bereitschaft aller Aktiven, das Treffen kurz vor Toresschluß doch noch herumzureißen. Es war würdiger Ausklang einer Begegnung mit insgesamt befriedigenden Akzenten, denen leider nur die Tore als würzige Beimischung fehlten. Dennoch gibt es ausreichend Grund zu wohlwollender Kritik!

Es sah in den ersten 30 Minuten dieses Kampfes für unseren Titelverteidiger keinesfalls vielversprechend aus, denn Dynamo gestattete dem Gegner keine Sicherheit im Kombinationsspiel, sondern nahm mit erstaunlicher Frische sofort selbst das Konzept in die Hand. Gerade in dieser Hinsicht unterschieden sich die Spielanlagen zunächst recht eindeutig: Während umständliches Bemühen im ASK-Spiel nur allzu offensichtlich war, stützte sich der Kontrahent auf die zweckmäßigeren Aktionen, die der ASK-Deckungsreihe doch allerhand Sorgen bereiteten. Und es Ist In diesem Zusammenhang des Lobes wert, über die jungen Spieler zu schreiben, deren Einreihung in das Kollektiv sich systematisch vollzogen hat und die schon jetzt in ihrer beständigen Leistungsfähigkeit den routinierten Spielern der Elf kaum nachstehen.

Gibt es dafür bessere Beweise als Stumpf und Nebeling, zwei mit vielversprechenden Eigenschaften ausgestattete Akteure? zählten nicht gerade Stumpfs glanzvolle Attacken gegen den schnellen Wirth mit zu den Höhepunkten dieser Partie? Fraglos hatte es Dynamo in dieser Zeit in der Hand, sich einen Vorteil zu sichern, der dem weiteren Ablauf sicherlich in anderer Art den Stempel aufgedrückt hätte. So aber fand Vorwärts nach 30 Minuten, ohne einen Gegentreffer hinnehmen zu müssen, endlich den spielerischen Faden, den vor allem eine fast fehlerfreie Arbeit der Deckungsreihe zu knüpfen begann. Es dürfte darüber kaum Zweifel geben, daß Mittelverteidiger Unger in seiner augenblicklichen Verfassung nur wenige gleichwertige Kontrahenten auf diesem Posten hat und daß ihm mit dem technisch blendenden Krampe und den sich erneut fehlerfrei einfügenden Schlußmann Zulkowski Spieler beigegeben sind, an denen sich eine Mannschaft immer wieder aufrichten kann.

Das Spiel lieferte dafür den Beweis! Ab dieser 30. Minute begann sich der Meister zu festigen, endlich sicher in der Kombination zu werden und zusehends stärker von seinen eigenen Vorteilen Gebrauch zu machen. Von beiden Läufern sahen wir in zunehmendem Maße raumgreifende Pässe, von Wirth schnelle und vielfach gefahrbringende Sprints auf dem linken Flügel. Jetzt hatte der ASK einen Vorteil im reibungslosen Zusammenspiel, der selbst dann nicht verlorenging, als sich Krampe nach Halbzeit für nahezu 25 Minuten wegen schmerzhafter Kieferverletzung außerhalb des Feldes befand. Von dem verständlichen Willen getragen, einen zahlenmäßigen Vorteil unbedingt zu nutzen, beging Dynamo allzuviel Zuspielfehler aus dem Mittelfeld heraus. So überstand der ASK diese Periode leichter, wie nach Ausscheiden des hervorragenden Linksverteidigers eigentlich zu befürchten war.

Wenn in dieser Begegnung Tore leider ausblieben, so muß einesteils die prachtvolle Reaktionsfähigkeit beider Schlußleute erwähnt werden, von denen sich Marquardt in der Schlußviertelstunde zu überdurchschnittlicher Form steigern mußte, um den ASK-Sturm als letztes Bollwerk in Sehach zu halten. Doch eine weitere Feststellung gebietet, aufgeschrieben zu werden, weil sie Bestätigung dafür ist, weshalb keine Treffer zustande kamen: Gerade von den Stürmern erlebt man allzuoft, daß sie eine prächtig« Einzelhandlung zum Nutzen der Mannschaft vollbringen, unmittelbar darauf jedoch einen schwerwiegenden Fehler in einer Situation begehen, in der man es eigentlich nie und nimmer erwarten dürfte. So wird sträflichst leicht ein Plus aus der Hand gegeben. Gerade in der Nähe den gegnerischen Tores, wo der Zugriff der Abwehr ja besonders hart ist, muß sich das nachteilig auswirken!

ASK Vorwärts Berlin:
Zulkowski; Begerad; Unger, Krampe, Körner; Kiupel, Nachtigall, Nöldner; Kohle, Schmahl, Wirth
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Stumpf, Heine, Skaba; Nebeling, Maschke, Klingbiel; Unglaube, Schnaase, Schröter, Geserich

Schiedsrichter:          Köhler (Leipzig)
Zuschauer:               10.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 09.10.1962