35. Spieltag 1961/62: SC Dynamo Berlin - ASK Vorwärts Berlin 2:1

Unaufhaltsam zog Maschke davon... / Steigerung nach der Pause  / Dynamo-Sturmspitzen agil
Die Notizen in unserem Block von der ersten halben Stunde dieser Begegnung sind recht dürftig; sie entsprachen bis dahin in etwa dem Verlauf, der Qualität des Spiels. Das sagen sie aus: 15. Minute: Allein zieht Quest ab, narrt Unger, schießt. Von Spickenagels Hand prallt der Ball ab. Doch Koinzer hebt ihn weit Ober das Tor. 20. Minute: Endlich eine Kombination des ASK über fünf, sechs Stationen. Körner leitet sie ein, Nöldner scheitert schließlich an der eisern stehenden Dynamo-Deckung. 25. Minute: Feiner Flankenlauf Wirths. Körner kommt zum Schuß. Daneben. 27. Minute: Krampe verursacht einen Handfreistoß an der Strafraumgrenze. Schröter schießt. Wirth fälscht die Kugel mit dem Kopf ab. Unhaltbar senkt sie sich ins Netz. Das war so ziemlich alles, was in dieser Zelt des Aufschreibens wert schien.

Wenig genug, auch wenn man die besonderen Bedingungen, die ein Lokalderby mit sich bringt, berücksichtigt. Mehr noch läßt sich daraus ableiten, auch über das Geschehen nach dem Wechsel. Das zunächst: Die ASK-Deckung sah gegen die drei Sturmspitzen des SC Dynamo, klug geschickt von Schröter und Maschke, meist schlecht aus. Vor allem Unger verriet große Unsicherheiten, und Mittelstürmer Ralph Quest hatte an diesem Tag das Vermögen, sie auch zu nutzen. Wenn Quest, Schmidt und Koinzer, oft im schnellen Sprint, ihre Gegner stehenließen, dann drohte Spickenagel mehr als einmal Gefahr. Dieser Drei-Mann-Sturm wirkte agiler, beweglicher als die Vorwärts-Fünferreihe. Und die ASK-Deckung gab der Elf nicht die nötige Ruhe, ihr eigenes Spiel in Schwung zu bringen. Das zum zweiten: Die Vorwärts-Elf nutzte das ohne Zweifel vorhandene Kombinationsvermögen zuwenig.

Lediglich wenn sich Körner und Wirth fanden, lief es nach Wunsch. Wurden andere Spieler einbezogen, Tor allem Nöldner, dann schien der Fluß der Aktionen gehemmt, unterbrochen, fand Dynamo wieder Zeit, sich zu formieren. Und das tat die von Werner Heine dirigierte Deckung voller Umsicht und Klugheit. Kaum einmal ließ sie sich herauslocken, wartete die Angriffe des Gegners ab. Und dann wurde gestört. Voller Temperament taten das Dorner und Skaba, überlegter Maschke und Becker. Der Erfolg war auf ihrer Seite. Was wirklich noch aufs Tor kam (wenig genug war es schon), das meisterte Willy Marquardt mit Sicherheit und Geschick. Ja, den Vorwärts-Aktionen fehlte der Schwung, der Biß, der unbedingte Wille, den Erfolg zu suchen. Auf der Gegenseite war das weit mehr vorhanden. Ferner: Körner und Vogt tauschten meist die Plätze.

Der Mann mit der Nummer acht kümmerte sich über eine Stunde lang fast ausschließlich um Schröter, ging damit dem eigenen Spiel verloren. Eine Maßnahme, die zumindest unzweckmäßig erschien. Mehr noch: Wenn man Meister werden will, dann muß man die eigenen Möglichkeiten in erster Linie nutzen, sich dann erst auf Eigenheiten des Gegners einstellen. Nach dem 1:2 ging Vogt in den Angriff, der dann auch mehr Gefahr ausstrahlte. Doch dann war es schon zu spät. Schließlich: Schröter erzielte den wichtigen Führungstreffer. Er tat noch weit mehr für den verdienten Sieg seiner Mannschaft. Klug spielte er wieder, zeigte sich trickreich, leistete ein ziemliches Pensum, erkannte, daß man sich nach dem Anschlußtreffer nicht einschnüren lassen darf, warf den eigenen Angriff immer wieder nach vorn, rückte dann im Verein mit Bley und Maschke nach.

Der Herbert Maschke war es auch, der Tor Nummer 2 vorbereitete und erzielte. Vogt schlug ungenau. Der Dynamo-Läufer fing das Leder an der Mittellinie ab. Duo Maschke-Schröter. Bley schaltete sich ein, bediente den steil in die Gasse gelaufenen Maschke, der völlig ungedeckt war und umsichtig vollendete. Daß unser Fußball kampfstark ist, das wurde in diesem Treffen einmal mehr nachgewiesen. Leider aber auch die Tatsache, daß das spielerische Vermögen nicht ausgeprägt genug ist, keinen Vergleich mit dem heute gültigen internationalen Maßstab aushalten kann. Diese Feststellung mag hart erscheinen, sie muß getroffen werden, wollen wir nicht die Augen verschließen. Dabei darf man sich nicht von dramatischen Szenen, die es ohne Zweifel gab, von Sololeistungen, meist von den gleichen Aktiven geboten (Körner, Krampe, Wirth, Schröter, Maschke), von der Steigerung nach der Pause täuschen lassen.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Becker, Maschke; Schmidt, Bley, Quest, Schröter, Kolnzer
ASK Vorwärts Berlin:
Spickenagel; Kalinke, Unger, Krampe; Körner, Reichelt; Nachtigall; Vogt, Nöldner, Kohle, Wirth

1:0 Schröter         (27.)
2:0 Maschke          (54.)
2:1 Nöldner          (66.)

Schiedsrichter:      Köhler (Leipzig)
Zuschauer:           10.000 im Berliner Walter-Ulbricht-Stadion

Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 08.05.1962