32. Spieltag 1961/62: SC Motor Jena - SC Dynamo Berlin 1:2

Durchdachtere Angriffe Übertriebener Kurzpaß / Donnerstagsspiel: Dynamo wahrte eine  Tradition: Erneuter Sieg in Jena
Hat Jena einen Dynamo-Komplex? Diese Frage Ist berechtigt, nachdem die Berliner in all den Oberliga-Jahren noch niemals Im Ernst-Abbe-Stadion verloren, oftmals recht glücklich hier um einen Doppelpunktverlust herumkamen, diesmal jedoch völlig zu Recht beide Punkte entführten. Was die Jenaer, übrigens in den letzten fünf Punktspielen mit 1:9 Punkten belastet, gegen Dynamo boten, läßt die Glanzleistung gegen Atletico Madrid an gleicher Stätte direkt als ein Wunder erscheinen. Die Punktspiel-Niederlagen der dritten Runde hängen keineswegs, wie manch "Fußball-Besserwisser" wahrhaben möchte, mit "Schonung im Hinblick auf die Atletico-Spiele" zusammen. Im Gegenteil: Das zahlenmäßig bescheidene Oberliga-Aufgebot Trainer Buschners scheint überspielt, die Verletzungsserie riß nicht ab. Auch gegen Dynamo mußte B. Ducke ersetzt, Lange nicht völlig auskuriert und P. Ducke als noch weit entfernt von Normalform aufgeboten werden.

Dabei startete Motor recht gut, doch dann ging es schon los: Heines 35-Meter-Freistoß, scharf und flach getreten, sauste, von Röhrer unglücklich abgefälscht, ins Netz. Zwar kam postwendend durch Röhrers energischen Einsatz nach "Kurzschluß" in der durch die 1:0-Führung noch nicht wieder formierten Dynamo-Deckung der Ausgleich, aber das Unheil nahm für Motor weiter seinen Lauf. Anstatt den Ball nach erfolgreichem Zweikampf mit Mühlbächer dem fangbereiten Fritzsche zurückzuspielen, tändelte Ahnert (31.) mit dem Leder, Mühlbächer erwischte den Ball, drei Dynamo-Flankenwechsel folgten; und der sich einschaltende Gadow spritzte dazwischen. 2:1! Nach halbstündiger Spielzelt, der niveaureichsten des ganzen Spieles überhaupt, zerstörte dieser Treffer das gesamte Motor-Gefüge. Von diesem Zeltpunkt an übernahm Dynamo mehr und mehr das Geschehen.

Das drückte sich nicht etwa in Feldvorteilen aus, nein, da hatte Motor gleichermaßen Anteil, nur warteten die Berliner mit wesentlich durchdachteren Angriffen auf, nutzten durch die klug aufbauenden Maschke, Schröter und Mühlbächer ihre schnellen und kreuzgefährlichen Flügel Schmidt und Klingbiel und ließen sich in der Abwehr dank der Routine der Heine, Skaba, Dorner, dank der unerschrockenen Becker und Gadow durch die zwar drangvoll aussehenden, jedoch wenig spielerische Linie verratenden Angriffe Jenas nicht überraschen. Der Bericht soll keineswegs nur ein Loblied auf den SC Dynamo sein! Aber derartige grobe Schnitzer in der Abwehr, so viele Fehlabgaben, so ein schwacher Aufbau aus den hinteren Reihen von Motor, das gab es bei den an diesem Tag durchaus schlagbaren Berliner!} nicht.

SC Motor Jena:
Fritzsche; Otto; Stricksner, Ahnert; Marx, Eglmeyer; Lange, Müller, P. Ducke, Röhrer, Kirsch
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Becker, Maschke; Schmidt, Gadow, Mühlbächer, Schröter, Klingbiel

0:1 Heine              ( 5.)
1:1 Röhrer             ( 5.)
1:2 Gadow              (31.)

Schiedsrichter:        Kunze (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             8.000

Peter Palitzsch, Neue Fußballwoche, 03.04.1962