29. Spieltag 1961/62: SC Dynamo Berlin - SC Turbine Erfurt 5:1

Lektion guten Angriffsspiels
Es gibt einen recht einfachen Maßstab für die Zweckmäßigkeit des Spiels eines Angriffs: Das sind die Tore. Legt man diesen Maßstab bei den Erfurtern an, so ergibt sich eine Feststellung: Der Turbine-Sturm hat überaus schwach gespielt. In 90 Minuten gelang ihm kein Treffer. (Das Ehrentor erzielte der aufgerückte Franke durch einen 20-m-Schuß, der übrigens nicht unhaltbar erschien), ja, mehr noch: Bräunlich wurde ganze dreimal ernsthaft gefordert! Einmal von Schröder (61.), der, bei weiterer fleißiger Arbeit an sich, das Flügelspiel beleben könnte, zum anderen von Wehner (73.) und schließlich von Seifert (81.). Das ist zuwenig, um erfolgreich bestehen zu können. Dabei ließ der Anfang dieses Ende nicht ahnen: Zu Beginn sah man zügig vorgetragene Angriffe der Männer im blauen Dreß. Da versetzte Schröder Skaba einige Male, da stieß Knobloch energisch durch, und das setzte auch Gratz zu schnellen Sprints an.

Doch schon in dieser, der besten Zelt der Erfurter, vermißte man die lenkende, ordnende Hand. Harald Wehner war an diesem Tage nicht in der Lage, seine Kameraden zu führen, war, durch Maschkes dynamisches Spiel, meist in die Defensive gedrängt, mußte sich mehr um den Dynamo-Läufer bemühen als der Herbert Maschke um ihn. Der linke Läufer kümmerte sich kaum um Deckungsaufgaben, ließ seinem Drang nach vorn freien Lauf. Dadurch wurde nicht nur Wehner gebunden, dadurch wurde vor allem der Nerv des Turbine-Spiels entscheidend getroffen! Das nutzte Dynamo! Und wie! Die fünf Treffer, immerhin gegen eine sonst starke Deckung erzielt (wenngleich Hergert wegen Erkrankung fehlte und auch Toni Skaba nicht ganz fit ins Spiel ging), sprechen eine deutliche Sprache. Hier war es keineswegs allein Schröter, der klug Regie führte

Auch Werner Renk tat das oft famos, ja, selbst Klingbiel, Quest und Schmidt erfüllten solche Aufgaben, boten sich an, schleppten die Bälle, um Sekunden später die Spitze zu bilden und erfolgreich abzuschließen. Wir, die wir insbesondere das Dynamo-Sturmspiel hart kritisiert haben, stehen nicht an zu erklären: Offensichtlich deutet sich gerade in dieser Beziehung eine Wende an! Fünf Tore gehen Empor, fünf Tore gegen Turbine! Freilich, ein warmer Sonnenstrahl macht längst noch keinen Frühling. Dennoch: Bei Dynamo scheint man auf dem richtigen besseren Wege. Wie die Erfurter ausgespielt, der Raum aufgeteilt, der Ball zum schnellsten Mitspieler gemacht wurde, das war schon sehenswert, das läßt noch einiges erwarten, das war für Turbine eine Lektion guten Angriffsspiels. Dabei muß erwähnt werden, daß sowohl Quest als auch vor der Pause Renk angeschlagen wurden und nicht mehr ganz im Vollbesitz ihrer Kräfte waren. Das 'erhöht die Leistung des Kollektivs ohne Zweifel noch, gibt ihr mehr Gewicht, weil die ändern, ganz gleich auf welcher Position, sich mühten, diese Lücken auszufüllen.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner, Heine Skaba; Bley, Maschke; Schmidt, Renk, Quest, Schröter, Klingbiel
SC Turbine Erfurt:
Weigang; Schwanke, Skaba, Franke; Dittrich, Drzysga; Schröder, Wehner, Knobloch, Seifert, Gratz

1:0 Schröter             (30.)
2:0 Klingbiel            (35.)
3:0 Schmidt              (51.)
3:1 Franke               (62.)
4:1 Klingbiel            (70.)
5:1 Klingbiel            (90.)

Schiedsrichter:          Glöckner (Leipzig)
Zuschauer:               4.000

Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 20.03.1962