26. Spieltag 1961/62: SC Turbine Erfurt - SC Dynamo Berlin 2:2

Gefährliche Doppelspitze / Turbine suchte Chance aus der Konterstellung
Die Gefahr, im Falle einer erneuten Niederlage als Tabellenfünfter bis ins Mittelfeld abzugleiten, wirkt sich nicht gerade vorteilhaft auf eine Elf aus. Auch auf die Mannschaft des SC Dynamo nicht. Skeptisch sprach es aus den Worten aller Berliner. Doch zum Glück nur aus den Worten. Auf dem Spielfeld spürte man diese nervliche Belastung erfreulicherweise kaum. Nach guten 25 Minuten war man sogar geneigt zu fragen, wie die Erfurter ihre jüngste Erfolgsserie zustande gebracht haben. Die Abwehr hatte alle Mühe, die eifrigen, spielfreudigen, wenn auch nicht immer besonnenen Angriffe der Berliner zu bremsen. Bach schwamm völlig und trug dadurch viel dazu bei, daß auch die engere Abwehr mit Skaba, Hergert und Franke viel von ihrer sonstigen Sicherheit verlor. Das Spiel erhielt fast eine dramatische Wendung, als plötzlich die bis dahin recht vorsichtigen, zurückhaltenden Erfurter zuschlugen.

Knobloch stürmte wie ein Wirbelwind am rechten Flügel auf und davon, flankte postwendend zu Wehner, und schon zappelte das Leder hinter dem verdutzten Klemm in den Maschen. Dieses Prachttor, aus 20 Meter Entfernung direkt erzielt, ließ vermuten, wie gefährlich die Erfurter zu spielen verstehen, und sie beließen es nicht bei einer Kostprobe. Typisch für sie ist das gewitzte, kluge Spiel über die prachtvolle Doppelspitze Knobloch-Gratz. Beide Blondschöpfe erwiesen sich als robuste, schnelle und schußentschlossene Durchreißer. Vom unermüdlich pendelnden und ankurbelnden Wehner geführt, stießen sie in die weiten Räume der oft aufrückenden Dynamo-Abwehr. Sobald sich nur die geringste Gelegenheit bot, wurde hart und überraschend geschossen. Schade nur, daß der Turbine-Angriff ohne wesentliche Läuferunterstützung auskommen mußte. Bach spielte wahrlich nicht "Bäume versetzend", und Dittrich war vorwiegend wie wiederholt auch Drzysga und Schwanke in der Abwehr gebunden!

Das konnte auf die Dauer aber nicht genügen. Mühlbächer und Maschke hatten so genügend Gelegenheit, bar jeder Deckung überraschend zum Angriff zu blasen. Wohl liefen sich neun von zehn Angriffen der Berliner im dichten Turbine-Abwehrnetz fest, beim zehnten jedoch klappte es. Doch Dynamo stürmte zu überhastet nach dem Handstrafstor. Auch die Läufer rückten mit nach vorn, im Hinterland auf eine doppelte Sicherung verzichtend. Wehner schickte seine Sturmspitzen nach Belieben mit steilen Vorlagen. Als sogar Dittrich überraschend mit nachstieß, geriet die Dvnamo-Abwehr ins Wanken, wurde nervös. Nur so konnte es passieren, daß eine scharfe Eingabe von Drzysga von drei, vier Abwehrspielern verpaßt und so Knobloch Gelegenheit gegeben wurde, zu vollenden. Die Berliner hätten dadurch ohne Zweifel eine erneute Niederlage einstecken können, wenn nicht der Turbine-Abwehr in der voreiligen Siegesfreude ein nicht weniger großer Schnitzer unterlaufen wäre.

SC Turbine Erfurt:
Weigang; Hergert, Skaba, Franke; Dittrich, Bach; Drzysga, Gratz, Knobloch, Wehner, Schwanke
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Hofmann, Dorner, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Schmidt, Bley, Gadow, Schröter, Quest

1:0 Wehner             (27.)
1:1 Schröter           (63., Handstrafstoß)
2:1 Knobloch           (85.)
2:2 Schmidt            (87.)

Schiedsrichter:        Bergmann (Hildburghausen)
Zuschauer:             5.000


Horst Friedemann, Neue Fußballwoche, 21.11.1961