24. Spieltag 1961/62: SC Dynamo Berlin - SC Chemie Halle 0:2

Wer schießt für Dynamo Tore? / Ein ungefährdeter Hallenser Sieg dank der Schwäche der Berliner Stürmerreihe
Das waren Gyarmatis Worte vor dem Spiel: "Heine kann wegen einer Knöchelverletzung nicht spielen. Wer soll nun Tore schießen? Aber vielleicht haben wir Glück mit einem Selbsttor." Halle tat dem Dynamo-Trainer, dessen Meinung natürlich scherzhaft aufzufassen ist, nicht den Gefallen, und dessen Stürmer waren nicht in der Lage, diese Meinung Lügen zu strafen. Und damit wären wir bereits beim Kern der Sache. Fünf Stürmer hatte wohl der Berliner Angriff aufzuweisen, aber als Reihe traten sie so gut wie nicht in Erscheinung. Schmidt und vor allem Bley brachten kaum eine spielerisch vernünftige Aktion zustande. Kuneffke ist noch zu unfertig. Selbst Schröter, der in der ersten Halbzeit zu oft in der eigenen Hälfte zu finden war, seine Kräfte zu sehr beanspruchte, fand nicht die Linie. Ein Lichtblick höchstens Unglaube, der viel Spielverständnis verrät, aber mit seinen achtzehn Jahren noch ausreifen muß.

Um so schwerer war es für ihn in dem zusammenhanglosen Sturmgefüge, so daß er nach der Pause ebenfalls unterging. Von ihm kam schon nach fünf Minuten der einzig sehenswerte Schuß, der jedoch von der Latte zurückprallte. Auch die Läufer, von denen Maschke betont offensiv wirkte, brachten keine Ordnung in die Angriffsreihe. Wer erst die letzte halbe Stunde ins Dynamo-Sportforum kam, glaubte eine klar überlegene Heim-Elf vorzufinden. Ununterbrochen rollte ein Angriff nach dem anderen auf das von Weise mit Umsicht gehütete Gehäuse. Aber es gab aus den obengenannten Gründen kaum eine torreife Gelegenheit. Die wenigen einigermaßen aussichtsreichen Chancen wurden unentschlossen, vergeben. Daß es zu dieser scheinbaren Überlegenheit kam, lag nicht zuletzt an Chemie, die nach dem zweiten Treffer sich nur auf vereinzelte Durchbrüche beschränkte.

Das hatten die Hallenser gar nicht nötig, denn sie waren bis dahin die Mannschaft mit der klareren Spielanlage, die ihnen zu Recht die Führung einbrachte, obwohl sie durchaus keine Bäume ausrissen. Sie kamen immer wieder auf der linken Seite, wo Stumpf mit dem durchschlagskräftigen Busch große Schwierigkeiten hatte. Von dieser Seite fielen auch die Tore, die Chemie innerhalb einer Woche den fünften Pluspunkt erreichen ließ. Jedesmal war Busch der Vorbereiter, die Seele des Angriffs aber Lehrmann. Die Leistung des Angriffs ist um so höher zu bewerten, weil die Außenläufer der Gäste sich stark zurückhielten. Dabei ließ Dorner unseren Nationalstopper kaum vermissen. Kurios war das erste Tor. Stein schoß ungehindert von der Strafraumgrenze. Der vor ihm stehende Schmidt hob das Bein, und Klemm tat das gleiche, um im selben Moment ohne Erfolg auf Abseits zu reklamieren. Dem Schiedsrichterkollektiv kann man, insgesamt gesehen, nur ein Lob aussprechen.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Stumpf, Dorner, Skaba; Mühlbächer, Maschke; Schmidt, Unglaube, Bley, Schröter, Kuneffke (63. Gadow)
SC Chemie Halle:
Weise; Urbanczyk, K. Hoffmann, Minnich; Richter, G. Hoffmann; Schmidt, Walter, Lehrmann, Stein, Busch

0:1 Stein              (32.)
0:2 Lehrmann           (59.)

Schiedsrichter:        Haack (Kart-Marx-Stadt)
Zuschauer:             3.000


Rolf Gabriel, Neue Fußballwoche, 07.11.1961