23. Spieltag 1961/62: ASK Vorwärts Berlin - SC Dynamo Berlin 3:0

Mit vollen Akkorden gestartet / Der Konterschlag blieb aus / ASK-Sturm ließ sich vor der Pause keine Fesseln anlegen / "Einfädler" Nöldner
Furioser Beginn! Anstoß durch Meyer, Abspiel zu Nöldner, der dribbelt, dribbelt weiter, läßt drei Widersacher ins Leere laufen, Vorlage für den inzwischen günstig postierten ASK-Mittelstürmer, der plaziert und unhaltbar abschießt. Noch ehe das Leder im Netz zappelt, reißt Lothar Meyer schon die Arme hoch - 1:0 für den Titelverteidiger, ohne daß ein Dynamo-Spieler überhaupt den Ball berührt hat. Man erinnert sich: Am 7. Juni beim Lokalderby des ersten Meisterschaftsdrittels hatte Mühlbächer für den SC Dynamo nach wenigen Sekunden die Führung erzielt, der ASK aber später noch mit 3:1 gewonnen, woran Nöldner maßgeblich beteiligt war. Sollte es diesmal umgekehrt sein, sollte das Anfangstor von Vorwärts "madig" sein? Nichts da! Zwar wart Dynamo nie die Flinte ins Korn, besaß nach sieben Minuten sogar schon die Ausgleichschance, doch Mühlbachers 40-m-Schuß prallte von der Latte zurück.

Die Aktionen der Volkspolizei-Elf wirkten zähflüssig, langatmig, wurden schon im Ansatz gestört. Sosehr sich die Läufer Mühlbächer-Maschke um die Beherrschung des Mittelfeldes bemühten, sie fanden keine Fortsetzung, wenn sie wirklich einmal den Faden geknüpft hatten. Der Anspielpunkt Schröter war ausgeschaltet, lahmgelegt von dem ihm figürlich ähnelnden Gerhard Vogt. Wie ein Schatten folgte er dem Dynamo-Kapitän, störte sofort mit hartem, konsequentem Einsatz den Halblinken, wenn der versuchte, doch einmal Tritt zu lassen. Körner dagegen als ideale Ergänzung tat viel für den Aufbau. Niemand konnte in der Dynamo-Vorderreihe die Funktion von Schröter übernehmen, obwohl gerade Bley die Lücke zu schließen versuchte. Doch er war zu sehr auf sich allein gestellt, denn die Flügelstürmer mit dem noch zu unerfahrenen Kunefke und dem zappligen Schmidt erzielten überhaupt keine Wirkung, und auch Conny Dorner unterstrich, daß seine Zukunft nun einmal auf der Position des Verteidigers liegt.

Da war der ASK an diesem Tage aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Drei Tage zuvor beim 1:1 gegen den SC Aktivist standen gerade die Läufer und die Stürmer im Kreuzfeuer der Kritik. Nun bestimmten sie zumindest vor der Pause recht eindeutig die Szene. Jürgen Nöldner, nach langer Pause wegen Erkrankung erst zum zweiten Mal eingesetzt, entpuppte sich als selbstloser "Einfädler", der wußte, wie man konstruktiven Fußball spielt. Und das hat ja unserem Meister in den vergangenen Wochen trotz aller Überlegenheit in manchem Kampf in erheblichem Maße gefehlt. Zu allen drei Toren leistete der Vorwärts-Halblinke die Vorarbeit. Nach dem schon eingangs geschilderten 1:0 setzte er wiederum Meyer ("Wenn das so weitergeht, macht mich der Jürgen noch zum Torschützenkönig", meinte Lothar Meyer hinterher) geschickt ein, der sich mit dem 2:0 bedankte. Zur Belebung des Vorwärts-Sturmspiels trug auch die Wiederaufstellung Hoges bei. Er machte am rechten Flügel im wahrsten Sinne des Wortes Wind.

Das 3:0 war der schönste Lohn für seinen hoffentlich anhaltenden Ehrgeiz, wobei Nöldner wiederum der Regisseur war. Die zur Pause erfolgte Umstellung löste noch einmal eine Offensive Dynamos aus, aber der erhoffte Gegentreffer (Schröter traf in der 58. Minute nur die Latte) und damit eine eventuelle Wende blieben aus. Mit ein Grund für die zwanzig Minuten währende Überlegenheit der Gyarmati-Schützlinge war wohl auch die Tatsache, daß der ASK angesichts des Vorsprunges kein Risiko mehr einging, Kiese zurückzog, aber später wieder gefährlich aufkam, und das 4:0 durch Nöldner nur vom Pfosten verhindert wurde. Abschließend einige Worte zu den "schwarzen Männern": Allzu oft wird leider das Schiedsrichterkollektiv in oberflächlicher Weise kritisiert. Stellen wir daher diesmal ganz eindeutig fest: Helmut Köhler und seine Assistenten waren in dieser keineswegs leicht zu leitenden Begegnung jederzeit Herr der Situation.

ASK Vorwärts Berlin:
Spickenagel; Kalinke, Kiupel, Krampe; Vogt, Körner; Hoge, Riese, Meyer, Nöldner, Wirth
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Stumpf (46. Dorner), Heine, Skaba; Mühlbächer, Maschke; Schmidt, Bley, Dorner (46. Unglaube), Schröter, Kunefke

1:0 Meyer              ( l.)
2:0 Meyer              (25.)
3:0 Hoge               (40.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             10.000


Hans-Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 31.10.1961