21. Spieltag 1961/62: SC Lok Leipzig - SC Dynamo Berlin 1:1

Als die Techniker zu fighten begannen... / Überragender Heine / Krause Strafstoß in der 90. Minute
Wieder einmal, wie so oft, gibt es erhitzte Gemüter beim Schlußpfiff des Schiedsrichters. Wer könnte als Fußballanhänger nicht das erregte Für und Wider am Spielfeldrand und in den Kabinen verstehen, wo es doch noch in der 90. Minute einen Strafstoß gegeben hat. Klar, daß die meisten, deren Herz für Dynamo schlägt, mit Stein und Bein behaupteten, es war niemals ein Strafstoß. Klar auch, daß es für die Leipziger keine andere Entscheidung geben konnte. Der neutrale Berichterstatter stellt eindeutig fest, daß Mühlbächers Panthersprung mit vorgestreckten Knien in die Hüfte von Seidlitz eine unfaire Handlung war. Daß sie völlig unnötig erschien, weil die Situation nicht unbedingt torreif war, kann für den Unparteiischen kein Grund sein, nicht Strafstoß zu geben. Offensichtlich lag bei Mühlbächer, sicherlich in bester Absicht zu retten, was gar nicht zu retten war, eine augenblickliche Kurzschlußreaktion vor. Die Entscheidung von Kunze war korrekt.

Natürlich können die Berliner mit gewisser Berechtigung von einem unglücklichen Remis sprechen. Aber bei ruhiger, sachlicher Überlegung werden sie zu dem Schluß kommen, daß nach Wertung aller Leistungen das Unentschieden gerecht ist, denn letzten Endes hat allein die Dynamo-Abwehr dieses Spiel über weite Strecken getragen. An der Spitze Heine, der voll konzentriert und ohne Risiko sein Pensum und darüber hinaus noch mehr erledigte. Es gab nur eine "Bröckelstelle" in der grün-weißen Mauer, und das war Skaba, der trotz emsigen Bemühens nach der Verletzungspause noch nicht seine Normalform gefunden hat. Seine Fehlschläge gerade im allgemeinen Tohuwabohu der letzten 20 Minuten trieben den Dynamo-Anhängern den Angstschweiß auf die Stirn.

Daß es von hier keinen "Einbruch" gab, war in erster Linie Heines Verdienst, aber auch die anderen halfen opferbereit aus. Der Sturm dagegen wird Gyarmatis Sorgenkind bleiben, besonders kraß, wenn Schröter so wie diesmal nicht zum Zuge kommt. Schmidts Eifer und Lauftempo konnten die vielen Lücken nicht schließen. Die Leipziger imponierten mit einer kraftvollen zwanzigminütigen Schlußoffensive, die man ihnen kaum mehr zugetraut hatte. Entscheidend dabei war wohl, daß auch die Fein-Techniker, mit Krause an der Spitze, "auf Teufel komm raus" kämpften. Fast zu lange hatte man bei Lok versucht, der sehr schlechten Platzverhältnisse mit flachen Kombinationen Herr zu werden. Im dramatischen Finale behielt Senior Krause die Nerven und rettete seiner Elf mit einem treffsicher verwandelten Elfmeter den verdienten Punkt.

SC Lok Leipzig:
Sommer; Drößler, Scherbarth, Fraundorf; Gießner, Dallagrazia; Gase, Krause, Frenzel, Fischer (69. Gawöhn), Seidlitz
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Stumpf, Heine, Skaba: Mühlbächer, Maschke; Schmidt, Bley, Dorner, Schreier, Quest (73. Thiemann)

0:1 Heine              (43.)
1:1 Krause             (90., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Kunze (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             5.000


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 17.10.1961