19. Spieltag 1961/62: SC Dynamo Berlin - SC Wismut Karl-Marx-Stadt 0:1

Wagners Freistoß köpfte Dieter Erler ein / Wismut nutzte eine der Chancen, Dynamo keine
1:0 für Wismut - wer hätte dieses überraschende Ergebnis für das Berliner Meisterschaftsspiel vorausgesagt? Es bedeutete gewiß auch für die Besucher des hartnäckigen Zweikampfes zwischen den alten Rivalen eine erhebliche Überraschung. Denn unter Zugrundelegung der herausgespielten Torchancen hätte das Resultat, sogar schon im ersten Abschnitt des Spiels, gut und gern 3:1 für Dynamo lauten können und müssen. So viele Möglichkeiten, zum Erfolg zu gelangen, boten sich da schon den Dynamo-Stürmern. Aber was hilft´s, wenn man den ersehnten Abschluß dennoch nicht vollziehen kann. Obwohl die Gastgeber, vor allem in der ersten Halbzeit, meist bestimmten, was gespielt wird, obgleich sie die mit Hilfe der beiden Läufer dichtgeschlossene Abwehr der Gäste ständig unter Druck setzten und mehrfach das nahe Ziel schon vor Augen sahen, am Ende sprang doch kein zählbarer Erfolg dabei heraus.

Denken wir dabei an verschiedene gewiß gutgemeinte Schüsse von Quest, Schmidt und Schröter, die vom reaktionsschnellen Wismut-Schlußmann, teilweise gewiß mit Fortunas Unterstützung, pariert wurden. Erinnern wir uns aber auch jener einmaligen Gelegenheit, die sich Hofmann in der 19. Minute bot, als er das Leder am herauslaufenden Hambeck vorbei aufs Tor zog und es im Nachlaufen doch nicht über die Linie bringen konnte. Ja, wer derartige Chancen nicht zu verwerten weiß, kann eben nicht gewinnen! Diesen Vorwurf darf man den Dynamo-Stürmern keineswegs ersparen, wenn auch mit Hilfe des umsichtigen Halbstürmers Schröter und des beweglichen Mittelstürmers Quest verschiedene versprechende Angriffszüge gelangen. Die Gäste wußten mit ihren weit geringeren Torchancen doch mehr anzufangen.

Sie hatten im gesamten Verlauf der 90 Minuten wohl nur dreimal die Möglichkeit zur Vollstreckung und zogen hieraus wenigstens einmal torbringendes Kapital. Wohl vergab Zink vor der Pause zwei gute Torchancen, doch die dritte Möglichkeit wurde knapp eine Viertelstunde vor Schluß dann genutzt. Sauber hob Wagner einen Freistoß vor das Dynamo-Tor. Erler sprang höher als alle Spieler der Dynamo-Deckung und verwandelte durch Kopfball zum einzigen Tor des Tages. Hier muß man die Ursache für den Sieg suchen: Wismut verstand eben aus weniger Chancen mehr herauszuholen als Dynamo aus vielen Möglichkeiten. Nur wenn die Dynamo-Spieler diese hier gezeigten Schwächen klar erkennen, sollte sich für sie künftig die Möglichkeit bieten, sie auch abzustellen. Selbsterkenntnis ist schon immer der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung gewesen! Jedenfalls darf man nicht in den Fehler verfallen, und etwa die Schuld an der Niederlage beim Schiedsrichter suchen.

Der Unparteiische hat für den objektiven Betrachter des Spiels in der ersten Halbzeit eine ausgezeichnete Leistung geboten, verlor dann zwar im weiteren Verlauf des Spiels etwas an der zuvor klargehaltenen Linie, ohne jedoch, das möchten wir hier betonen, die eine oder andere Seite entscheidend benachteiligt zu haben. Zwar lag der Ball dreimal im Wismut-Tor, aber in jedem Falle mußte der Torerfolg aberkannt werden, weil zweimal eine Abseitsstellung eines Stürmers vorlag und einmal der Wismut-Schlußmann unsauber angegangen wurde. Die Gäste verdanken den Sieg vor allem ihrem ausgezeichneten Torwart, dann aber auch dem sich gegenüber dem letzten Punktspiel erheblich steigernden Mittelverteidiger Bringfried Müller sowie den drei sich klug ergänzenden Mittelfeldspielern Manfred Kaiser, Dieter Erler und Conny Wagner. Die ansprechende Form der stärksten Dynamo-Kräfte, Herbert Maschke, Waldemar Mühlbächer, Günter Schröter und Ralph Quest, bot unter Berücksichtigung der weiter oben angeführten Schwächen nicht das ausreichende Gegengewicht.

SC Dynamo Berlin:
Noske; Stumpf, Heine, Skaba; Mühlbächer, Maschke; Hofmann, Bley; Quest, Schröter, Klingbiel (11. Schmidt)
SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Hambeck; Neff; Müller, Enold; Killermann, Kaiser; Riemenschneider, Erler, Zink (60. Eberlein), Wagner, Wachtel

0:1 Erler              (76.)

Schiedsrichter:        Glöckner (Leipzig)
Zuschauer:             6.000

Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 03.10.1961