10. Spieltag 1961/62: SC Dynamo Berlin - BSG Motor Zwickau 3:1

Als Hofmann zum Läufer wurde, erhielt Dynamos Spiel mehr Linie / Saubere Tore versöhnten mit vielem / Motors Sturm / war am Strafraum mit seinem Latein am Ende / Beachtliche Steigerung
von Starost, Schmidt und Bauchspieß
Der Spitzenreiter siegt weiter! In zehn Spielen wurde er erst einmal besiegt, mußte sich lediglich einmal mit einer Punkteteilung begnügen. Das ist eine Ausbeute, auf die die Männer mit dem "D" auf der Brust stolz sein können. Sie haben jetzt eine Ausgangsposition, die zu einigen Hoffnungen Anlaß gibt, sie verfügen über das Selbstvertrauen, das eine weitere Steigerung erwarten läßt, und sie hemmen Ihre Gegner durch eine Art "Dynamo-Komplex" (wenn man so sagen darf), der ihnen nicht gestattet, ihre Kampfkraft in vollem Maße auszuspielen. Viele mögen der Auffassung sein, daß der immerhin noch ziemlich klare Dynamo-Erfolg ein wenig glücklich gewesen sei. Dem kann man sich nicht anschließen. Dieser Sieg war sehr wohl verdient, wenngleich die Leistung des Spitzenreiters vor der Pause nicht voll befriedigen konnte. Dreierlei Gründe sprechen dafür:

1. Erkennen und Handeln
Es kommt im Fußball sowohl für Spieler als auch für Trainer in hohem Maße darauf an, Schwächen oder Stärken in den eigenen Reihen oder in denen des Gegners zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Janos Gyarmati gab ein erneutes Beispiel für diese, seine so ausgeprägte Stärke: Mühlbächer war als Läufer vor dem Wechsel ausgesprochen schwach. Zu klein war sein Aktionsradius, zu gering sein Kampfgeist, zu mangelhaft sein Zuspiel, das oft in den Beinen des Gegners landete (wobei gesagt werden soll, daß der Platz ziemlich uneben war). Für einen Auswahlspieler war das, was er bot, wenig genug. Daran lag es in erster Linie, daß kein Fluß in die Aktionen der Berliner kam, daß das Sturmspiel nicht nach Wunsch lief. Zur Pause wurde umgestellt. Mühlbächer tauschte mit Hofmann. Und das klappte auf Anhieb so gut, daß Trainer Gyarmati lächelte: "In einigen Wochen spielen alle unsere Stürmer besser als Läufer!" Dieses Erkennen und Handeln mag als die erste Berechtigung des Sieges angeführt sein.

2. Wohl 10:3 Ecken, aber...
"Meine Jungen wirken auf fremdem Platz immer merkwürdig gehemmt, haben Angst", beklagte sich Karl Dittes ein wenig. Das ist eine Feststellung, die durchaus stimmt; aber wo liegen die Ursachen dafür? Wirklich sauber, wenn auch ein wenig zu eng, lief der Ball, vor allem in der ersten Halbzeit, durch die rot-schwarzen Reihen. Helmut Grüner bildete den Anspielpunkt, wirkte keineswegs defensiv, wie man vielleicht anzunehmen geneigt ist, setzte seine Kameraden vorbildlich ein. Doch wer reagierte auf seine Ideen? Matthes einige Male. Jura? Zuviel Angst zeigte der Horst nicht nur diesmal. Speth? Er hing zu weit, um seine Schußkraft ausspielen zu können. Tauscher? Sauber, wie er seine technischen Fertigkeiten bewies, doch auch er tauchte zu sehr im Mittelfeld unter, ließ hier seine Kraft und hatte zudem in Skaba einen guten Mann gegen sich. So kombinierte der Motor-Sturm zwar recht nett, holte ein Eckenverhältnis von 10:3 heraus, war aber am Strafraum mit seinem Latein am Ende, zumal Starost (beachtlich seine Steigerung) und Heine energisch dazwischenfuhren. Daß der Ehrentreffer durch einen Strafstoß fiel, spricht dafür, wie wenig durchschlagskräftig der Motor-Sturm war. Nur wenn die Schönheit mit der Zweckmäßigkeit gepaart wird, stellt sich der Erfolg ein.

3. Ausnutzen der Chancen
Fünf, sechs Möglichkeiten besaß Dynamo, drei davon wurden ausgenutzt. Das ist ein ordentliches Verhältnis. Und wie sauber wurden die Treffer erzielt! Der dritte mag dafür als Beispiel dienen: Weit eilte Marquardt aus seinem Tor, schlug die Kugel vor einem Zwickauer weg. Schmidt, der sich wie Bauchspieß verbessert hat, stoppte den Ball mit dem Hacken, spielte gleich steil zu Mühlbächer. Endlich lief der Waldemar, umkurvte Wilde, schaute, flankte. Der wuchtige Mittelstürmer stand allein vor Baumann und verwandelte direkt. Auch beim ersten Tor zeigte sich Bauchspieß ebenso entschlossen wie Schmidt beim zweiten, wenngleich uns schien, daß Baumann reagieren mußte. So versöhnten die Dynamo-Tore weitgehend mit dem schwächeren Start des Spitzenreiters, sahen die begeisterungsfähigen Hettstedter nach dem Wechsel noch einen befriedigenden Kampf, in dem die Berliner ihre führende Position weiter festigten.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Starost, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Schmidt, Hofmann, Bauchspieß, Schröter, Klingbiel
BSG Motor Zwickau:
Baumann; Röhner, Glaubitz, Wilde; Hähle, Dimanski; Tauscher, Matthes, Grüner, Jura, Speth

1:0 Bauchspieß         (58.)
1:1 Speth              (65., Foulstrafstoß)
2:1 Schmidt            (73.)
3:1 Bauchspieß         (78.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             7.000


Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 24.05.1961