09. Spieltag 1961/62: SC Lok Leipzig - SC Dynamo Berlin 0:3

Die Berliner haben die richtige Mischung zwischen alten und jungen Aktiven / Lok eine halbe Stunde lang ganz schön in Schwung, dann restlos gefangen im Kombinationswirbel Dynamos / Nauert verhindert höhere Niederlage
"Ein Tor für uns in der ersten halben Stunde - und manches wäre anders gelaufen", meinten die Lok-Anhänger nach dem Spiel. Gewiß! 30 Minuten lang sah das Rennen für die Gastgeber günstig aus. Wie schon beim 3:0-Sieg über den ASK zwei Wochen zuvor in Magdeburg ergriffen die beiden Läufer Leipzigs sogleich die Initiative. Sie sicherten sich bis zu diesem Zeitpunkt die Bälle im Mittelfeld, legten sie ihren Stürmern maßgerecht hin und stießen selbst einige Male nach. Die Kombinationsmaschine der Gastgeber lief anfangs auf vollen Touren. Flach wanderte der Ball von Mann zu Mann, oft sogar im schnellen, weil direkten Zusammenspiel. Da gab es ganz schöne Arbeit zu verrichten für die Dynamo-Abwehr, wenn die drei Angriffsspitzen Gase, Frenzel und Heydenreich auf Reisen gingen.

Besonders Skaba hatte gegen den listigen und trickreichen Rechtsaußen keine leichte Aufgabe zu bewältigen. Aber auch Loks Mittelstürmer machte anfangs Heine das Leben schwer. Aber die Verteidigung stand aufrecht. Alle drei Spieler haben schließlich nicht umsonst schon oft das Nationaltrikot getragen. Außerdem wußten sie hinter sich In Marquardt einen sicheren Schlußmann, der in dieser Drangperiode der Leipziger verschiedene Flankenschüsse hechtend am Boden abwehrte. "Sieh mal an, wie sich die Stürmer anbieten, wie sie in die freien Räume hineinlaufen", rief Leipzigs zweiter Trainer Erich Dietel aus. Wahrlich! Die ersten Konterschläge der Gäste ließen nicht lange auf sich warten. Erst waren es nur einige lang in den weiten Raum gegebene Paßbälle des Kapitäns Schröter. die für Entlastung sorgten. Dann schalteten sich auch Mühlbächer und Bauchspieß selbständig mit ein. Ihr Zusammenwirken brachte bereits Mitte der erstem Halbzeit den entscheidenden Vorsprung für Dynamo.

Herrlich, wie der Halbrechte in die Flanke von Klingbiel hineinflog und sie im Hechtsprung mit dem Kopf verwandelte! Genauso schon das Zusammenspiel der beiden Stürmer beim zweiten Treffer, den Bauchspieß im Nachschuß erzielte! Aber auch von den Flügeln her drohte Lok nun stets hohe Gefahr. Alle Stürmer waren immer in Bewegung, boten sich zum Zuspiel auf den Mann wie auch in den freien Raum mustergültig an. Alle, möchten wir im Gegensatz zur Heimelf betonen. Denn bei den Gastgebern hemmte Stiller, der wieder einmal nicht bereit war, scharfe Vorlagen zu erlaufen, den Fluß der Kombinationen. Das war immerhin ein wesentlicher Unterschied zwischen hüben und drüben, der allein schon für den Sieg den Ausschlag gab. "Dynamo hat zur Zelt die richtige Mischung zwischen jung und alt." Und Alfred Kunze ergänzte diesen Ausspruch seines Kapitäns Rudi Krause mit den Worten: "Uns fehlt ein Stratege in der Abwehr." Beides trifft vollauf den Kern der Dinge.

Die Lok-Abwehr ist im Augenblick, noch dazu ohne Scherbarth, nicht erfahren genug, um einen modern aufspielenden Angriff wie die Dynamo-Vorderreihe auf die Dauer halten zu können. Auf der anderen Seite haben die Berliner - das zeigte dieses Spiel wieder deutlich - ein Kollektiv geformt, das sich, wie im Fußball nun einmal erforderlich, aus erfahrenen Spielern und Jungen Kräften ideal zusammensetzt. "In der zweiten Halbzeit konnten unsere Spieler nur noch lernen", sagte ein Leipziger Fußballfreund dann nachher. In der Tat! Nun war Dynamo in allen Belangen überlegen. Jetzt wurde der Kampf der 90 Minuten zum Lehrspiel. Leipzigs Stürmer tauchten mehr und mehr unter. Die Läufer sahen sich durch das Kombinationsnetz der Gäste gefesselt. Die Verteidiger hatten Mühe, nicht mehr als den dritten Treffer von Klingbiel auf Vorlage von Bauchspieß zuzulassen. Allein Torwart Nauert hielt mit seinen prächtigen Paraden das Ergebnis in erträglichen Grenzen. Eine Mannschaft bestimmte jetzt, was gespielt wird: Die Elf des derzeitigen Tabellenführers unserer Oberliga. Sie steht wahrlich völlig zu Recht an der Spitze des Feldes der 14 Mannschaften und wird sich auch so leicht nicht wieder von hier verdrängen lassen.

SC Lok Leipzig:
Nauert; Hermann, Gießner, Fraundorf; Fischer, Drößler; Gase, Krause, Frenzel, Stiller (73. Seidlitz), Heydenreich
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Bley, Maschke; Schmidt, Mühlbächer, Bauchspieß, Schröter, Klingbiel

0:1 Mühlbächer         (35.)
0:2 Bauchspieß         (38.)
0:3 Klingbiel          (66.)

Schiedsrichter:        Vogel (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             9.000


Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 09.05.1961