08. Spieltag 1961/62: SC Dynamo Berlin - SC Motor Jena 2:1

Jena verkaufte sich teuer / Spitzenreiter hatte genug "Pulver" für die zweite Hälfte
Gleich das Erfreuliche an den Anfang: Der SC Motor, von seinen letzten Spielen in Berlin bekannt als Mannschaft, die sich einer übertriebenen Defensivtaktik befleißigt, ließ von einer derartigen Einstellung diesmal nichts erkennen. Die Thüringer mit ihren vielen veranlagten Kräften warteten dann auch — frei von jeder "Zwangsjacke" — besonders in der ersten Hälfte mit einer sehr respektablen Leistung auf. Dabei ging der frischgebackene Spitzenreiter, den Wind als Bundesgenossen im Rücken, selbstbewußt an seine Aufgabe heran, stürmte entschlossen, um eine frühzeitige Entscheidung herbeizuführen. Jenas Deckung war jedoch auf der Hut, allen voran Mittelverteidiger Stricksner, der allerdings in der 5. Minute um ein Haar einen Schuß des wieder äußerst agilen Dynamo-Halblinken Schröter (seine Partie gewinnt noch an Wert, hatte er doch in Marx einen starken, leider nicht stets fairen Gegenspieler) ins eigene Netz gefälscht hätte.

Die Berliner besaßen weitere gute Chancen: Gadows Schuß lenkt Fritzsche prächtig zur Ecke (7.), Poklitar verfehlt knapp das Ziel (24.), Klingbiel trifft nur das Außennetz (30.), eine Maschke-"Rakete" zischt vorbei (32.), und schließlich prallt ein Schröter-Schuß von der Latte zurück (38.). Aber Jena ist schon in dieser Zeit keineswegs nur in die Defensive gedrängt. Bei jeder passenden Gelegenheit schaltet sich Marx (ist einmal in der 10. Minute sogar Abseits, köpft außerdem in der 33. Minute gefährlich auf das Tor) in die Angriffsaktionen ein. Jena hat seine beste Zeit zwischen der 30. und 45. Minute. Die Dynamo-Deckung versteht es nicht, den unermüdlichen Peter Ducke “an die Kette" zu legen, der sich weit zurückzieht, dann plötzlich an den Flügeln auftaucht, meist rechtzeitig und zweckmäßig abspielt und auch manchen Schuß riskiert.

Zwar gelingt Dynamo nach prächtiger Kombination durch Klingbiel (40.) ein Tor, das jedoch dem Abseits verfällt, aber gleich darauf schmettert im wahrsten Sinne des Wortes Kirsch auf der anderen Seite eine Ducke-Flanke zum l : 0 Jenas ins Netz. Hat Dynamo schon sein bestes Pulver verschossen? Die zweite Halbzeit wird darauf Antwort geben! Es zeigt sich schnell, daß sich die Berliner prächtig zu steigern verstehen. Sie reißen wieder das Gesetz des Handelns an sich, eindeutiger noch als in der ersten halben Stunde. Maschke-Bley sind ein Läuferduo, das augenfällig bestimmt, welche Elf "Chef auf dem Rasen" ist.

So verbissen sich die Thüringer wehren, so sehr sich der Sturm bemüht, etwas zur Entlastung seiner Abwehr zu tun, die Fäden können nicht mehr geknüpft werden. Ein herrlicher Hinterhaltsschuß läßt Bley wie schon wenige Tage zuvor in Aue erneut zu Torschützenehren kommen. Auch Schröter krönt seine gute Leistung schließlich mit einem Treffer, der beide Punkte und die weitere Tabellenführung sichert. Vom sicher haltenden Torhüter  Marquardt bis zum unternehmungslustigen Linksaußen Klingbiel bewies die  Dynamo-Elf in den neunzig Minuten, daß sie im Augenblick tatsächlich die "schärfere Klinge" als der zweite Berliner Club, ASK Vorwärts, schlägt.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Bley, Maschke; Hofmann, Gadow (72. Quest), Poklitar, Schröter, Klingbiel
SC Motor Jena:
Fritzsche; Ahnert, Stricksner, Woitzat I; Marx, Graupe; Müller, Imhof, P. Ducke, Lange (76. R. Ducke), Kirsch

0:1 Kirsch               (41.)
1:1 Bley                 (57.)
2:1 Schröter             (70.)

Schiedsrichter:          Kunze (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:               3.000

Hans-Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 02.05.1961