07. Spieltag 1961/62: SC Wismut Karl-Marx-Stadt - SC Dynamo Berlin 1:1

Noch rechtzeitig das Steuer herumgerissen / Wismut nach raumgreifendem Angriffsspiel in Führung / Dynamo nach pausenlosem Ansturm noch gleichgezogen
Gerade noch das Steuer herumgerissen! Eben noch einen Punkt gerettet! Unmittelbar, nachdem Bley zum Ausgleich für die Gäste eingeschossen hatte, eilte Dynamo-Sektionsleiter Georg Gläser auf seinen Kollegen Kurt Steinbach vom Wismut zu und schüttelte ihm die Hand: "Geben wir uns mit der Teilung der Punkte zufrieden", rief er. "Diesen einen Punkt habt ihr redlich verdient", lautete in ehrlicher Anerkennung der starken Leistung des SC Dynamo nach der Pause die Erwiderung des früheren Wismut-Torhüters. Zeitlich gesehen zerfällt ein Fußballspiel in zwei Hälften. Selten erlebte man es, daß sie so unterschiedlich verliefen, wie der Meisterschaftskampf in Aue. Der erste Abschnitt des Spieles gehörte Wismut. Schon nach sechs Minuten hieß es 1:0 für Wismut, als Marquardt einen von Heine zurückgespielten Ball gegen den nachstoßenden Tröger nicht festhalten konnte und Zink das Leder nach einem Doppelwechsel Tröger/Wachtel zum Führungstor einlenkte.

Und weiter lief das Spiel der Gastgeber auf Hochtouren. Noch vermochte Bley Erler keine Fesseln anzulegen. Noch zogen Zink, Tröger und Wachtel schnell und sicher mit den tief in den Raum gegebenen Vorlagen auf und davon. Marquardt hatte einige Sorgen, den Schrägschüssen des Linksaußen bei verschiedenen Eckbällen wie auch bei einem Kopfballaufsetzer von Zink. Doch bereits kurz vor der Pause deutete sich eine Wendung an. Maschke rückte nach und schoß flach auf das Wismut-Tor. Nur mit Mühe konnte Thiele den von Bringfried Müller abgefälschten Ball gerade noch mit einer Hand auf der Linie bannen. Die zweite Hälfte des Spieles gehörte jedenfalls ausschließlich den Gästen aus Berlin. Jetzt war ihre Stunde gekommen. Vorwärts gegen das Wismut-Tor hieß nun die Parole. Es zeigte sich hierbei deutlich, welch hohe Kampfkraft und gute Moral in der Dynamo-Elf zu stecken scheint, indem man selbst bei einem zunächst ungünstigen Verlauf des Spiels nicht den unbedingten Willen zum Sieg aufgibt.

Alarmstufe 1 für Torwart Thiele und seine  Mannen, die ihm nunmehr in den Minuten der Not starke Helfer zur Verteidigung des eigenen Tores waren. Schöne Kombinationen zwischen Bley, Hofmann und Schröter. Angeschnittene Flanke des wieder ausgezeichneten Dynamo-Kapitäns. Kopfball von Poklitar gegen die Latte. Gewühl im Wismut-Strafraum. Mehrmals mußte Thiele faustend dazwischenspringen. "Binges" rettete mit dem Kopf auf der Linie. Zweimal holte Neff, ein diesmal harter und entschlossener Verteidiger, das Leder sozusagen fast aus dem Kasten. Fernschuß von Dorner gegen die Latte. Sollte es bei dem 1:0 für Wismut bleiben? Doch Dynamo steckte nicht auf und stürmte weiter mit Macht auf das Tor. Schließlich fiel doch endlich der Ausgleich — er mußte ja einmal fallen -, als Heine sich das Leder zum Freistoß zurechtlegte. Zwar wehrte Thiele zunächst noch einmal ab, aber dann war Bley, jetzt ganz zum sechsten Stürmer geworden, zur  Stelle und schoß aus wenigen Metern zum 1:1 ein.

SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Thiele; Neff, B. Müller, Enold; A. Müller, Kaiser; Zink, Riemenschneider, Tröger, Erler, Wachtel
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Bley, Maschke; Hofmann, Schmidt (46. Quest), Poklitar, Schröter, Klingbiel

1:0 Zink                 ( 6.)
1:1 Bley                 (77.)

Schiedsrichter:          Glöckner (Leipzig)
Zuschauer:               4.000

Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 02.05.1961