12. Spieltag 1960: SC Chemie Halle - SC Dynamo Berlin 0:0

Schwächste Sturmformationen ohne Tor / Das 0:0 von halle bestätigte die Tabellenerkenntnisse
Schiedsrichteransetzer Helmut Köhler, der mit anderen prominenten Unparteiischen dem Treffen zusah, faßte sein Urteil in einem Gespräch eine halbe Stunde nach dem Spiel wie folgt zusammen: "Es war eines der mäßigsten Spiele, die ich in den letzten Monaten gesehen oder geleitet habe."; Das Urteil ist sicher gerecht. Und wir in Halle tun gut daran, die Situation nicht rosiger zu sehen, als sie ist: In sechs Heimspielend nur drei Siege, ein remis und zwei Niederlagen, aus sechs Auswärtsspielen zwei Punkte! Das ist beinahe schon ein SOS für unseren Oberliga-Neuling! Das Spiel verleugnete keine Minute, daß sich hier die beiden Mannschaften mit den erfolgsärmsten Angriffsformationen der Oberliga bekämpften. Chemie schoß in zwölf Spielen zwölf Tore, Dynamo bei gleicher Spielanzahl deren elf! Und wenn wir in unsere Skala der wirklichen, angekommenen Torschüsse sehen, so weist sie aus, daß Chemie in der zweiten Halbzeit einen einzigen,

Dynamo in der ersten Spielhälfte ebenso einen einzigen wirklichen Torschuß zuwege brachte. Das ist in der tat zu dürftig (bei 10:5 Ecken für Chemie und davon allein sechs in der zweiten Halbzeit). Diese Zahlen sagen viel, wenn nicht alles. Sie bestätigen, daß zwei im allgemeinen sichere, genau zum Mann stehende, hart sich einsetzende und risikolos spielende Deckungsreihen die gegnerischen schwachen Sturmformationen völlig beherrschten. Beide Torhüter meisterten einige wenige schwierige Situationen beherzt, zwei-, dreimal sogar tollkühn mit wahren Tigersprüngen. Auch im übrigen ähnelten sich die Mannschaften taktisch auffallend. Beide besaßen im rechten Läufer den konstruktiven, erfolgreichen Spieler. Dynamos Schlüsselfigur war Maschke. Von diesem von den Hallensern viel zuwenig markierten Anspielpunkt aus liefen immer wieder die genauen Zuspiele zu den hängenden Stürmern oder den Außen.

Bei Chemie machte sich Günter Hoffmanns Mitwirken in den bekannten weiten Diagonalpässen vorteilhaft bemerkbar. Sie kamen nur nicht so genau wie sonst - war der weiße Fernsehball zu leicht? Dabei hatte der "Hopser" auch nicht den Spielraum wie Maschke. Im Sturm war es nicht anders. Dort versuchte der wenig auffallende "Moppel" Schröter aus weit zurückhängender Position die übrigen Stürmer, meist aber den gefährlichen Quest, einzusetzen. Hier bot sich immer wieder Basel weit an der rechten Seitenlinie an, um die Bälle in den Sturm zu "schleppen". Aber..., Larisch kam gegen Skaba überhaupt nicht auf (auch Strahl rannte sich später immer wieder fest). Busch ist von früherer Form noch weit entfernt und ließ seine Gefährlichkeit nur ein einziges Mal aufblitzen, Urbanczyk tauchte völlig unter, und Werner Lehrmann hatte mit einigen Schußansätzen Pech.

Im Berliner Sturm blieb außer dem schon genannten Quest in halle alles blaß. Insgesamt konnte Dynamo also die im letzten Heimsieg über Zwickau anscheinend erkennbar gewordene Formverbesserung in Halle nicht bestätigen. Chemie spielte in der ersten Halbzeit weit wirkungsvoller als gegen Jena, die Elf konnte aber in der tropischen Sonnabendnachmittagshitze diese Energieleistung nicht durchstehen und war später trotz des schmucken weißen Dresses ausgesprochen farblos. Bei in technischer Hinsicht zwar oft gefälligen Mittelfeld-Aktionen war es angesichts der wirklich wenigen zwingenden Angriffszüge eine schwache Partie, deren Charakter das 0:0 richtig widerspiegelt und deren Punkteteilung leistungsmäßig keine Partei benachteiligte. Angesichts des Heimvorteils der Hallenser bedeutete das remis natürlich noch eher einen Erfolg für Berlin als für Halle.

SC Chemie Halle:
Weise; K. Hoffmann, Landmann, Heyer; G. Hoffmann, Richter; Larisch (60. Strahl), Basel, Urbanczyk, Lehrmann, Busch
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Thiemann; Hofmann, Schröter, Velebiel (75. Neidhardt), Bley, Quest

Schiedsrichter:        Warz (Erfurt)
Zuschauer:             8.000

Werner Stück, Neue Fußballwoche, 28.06.1960