01. Spieltag 1960: SC Lok Leipzig - SC Dynamo Berlin 3:0

Durch Torwirbel die Spielsicherheit gewonnen / Mischung zwischen Ballhalten und Tempofußball
Hell klangen die Trompeten und Glocken der Fußballanhänger des SC Lokomotive, als die Torskala zu steigen begann.

1:0 für Lok in der 47. Minute:
Stiller ist an der rechten Seite freigespielt, wird von Mühlbächer gelegt. Doch seine Flanke gelangt nach innen, wo Konzack bereitsteht und verwandelt. Der vorherige Pfiff des Schiedsrichters bedeutet nur eine kurze Unterbrechung, denn den Freistoß von Fischer vollstreckt Stiller aus nächster Nähe

2:0 für Lok in der 51. Minute:
Konzack schiebt einen Eckball von der rechten Seite etwas zurück zum aufgerückten Verteidiger Hermann, der aus etwa 25 Metern einen Weitschuß riskiert. Dynamo-Torwart Marquardt unterschätzt die Flugbahn des Balles und muß den zweiten Treffer hinnehmen.

3:0 für Lok in der 61. Minute:
Erneuter Eckball von rechts, den diesmal Gase tritt, Marquardt nicht entschlossen genug an sich reißt und Behne einköpft. Jubel auf den Rängen des Stadions, Freude im Clubheim der Leipziger, Zuversicht für den weiteren Verlauf der Meisterschaftsspiele. Der Start war gut und eindrucksvoll, besser als man zuvor erwarten konnte.

Dicht neben der Freude das Leid. Mit dieser klaren Niederlage hatte wohl niemand im Dynamo-Lager gerechnet. "Was soll man dazu sagen", meinte Trainer Fritz Bachmann nachher. "Drei Treffer im Zeitraum von 14 Minuten. Das kam zu plötzlich. Zwei der Tore durften nicht fallen. Der Gegner wurde von uns zu leicht genommen." Ja, das ist wohl das Stichwort. Punktspiele fordern nun einmal höchste Konzentration. Hat Dynamo den Gegner unterschätzt? Glaubte man die neu formierte Lok-Abwehr leicht ausspielen zu können? Der Verlauf der ersten Viertelstunde schien derartigen Gedankengängen recht zu geben. Da, aber nur da schufen einige Male weite Querpässe etwas Verwirrung in der Deckung der Leipziger.

Doch bald hatten die Verteidiger ihre Anfangs-Nervosität abgelegt, steigerten sich im einzelnen, besonders die beiden Außenverteidiger Heinz Hermann und Siegfried Söllner, und schlossen sich eng mit Hilfe der beiden Läufer sowie auch notfalls eines Stürmers zu einem festen Abwehrblock zusammen. Der Zeitpunkt der Wende war bald gekommen. Dieter Fischer ergriff als erster Spieler die Initiative im Mittelfeld. Seine flachen Pässe erreichten stets den richtigen Mann am rechten Ort. Denn sowohl Rechtsaußen Gase als auch ganz besonders der diesmal ausgezeichnet aufgelegte Linksaußen Günter Konzack traten rechtzeitig und blitzschnell an und nahmen das ihnen zugereichte Leder dann im Spurt mit. Angriffs-Regisseur Rudi Krause war der zweite Spieler der Lok-Elf, der neben seinem rechten Läufer die Fäden im Mittelfeld zu spinnen begann.

Somit gelang es den Gastgebern bald, mit Hilfe dieser beiden Spieler sich ein Übergewicht im Mittelfeld zu verschaffen und die schnellen Spitzen der Vorderreihe immer wieder zweckentsprechend einzusetzen. Bis zur Pause ergab sich zwar noch kein entscheidender Vorteil für die Gastgeber, wenn auch ein Blitzschuß des am linken Flügel aufgetauchten Rechtsaußen Gase gegen die Latte für die Dynamo-Abwehr eine erste ernste Warnung bedeuten mußte. Aber anscheinend hatte man hier die Situation noch nicht rechtzeitig und klar genug erkannt. Die Strafe für das allzu selbstsichere Spiel in der ersten Halbzeit erhielten die Gäste unmittelbar nach dem Wechsel, als es den Leipzigern innerhalb von sieben Minuten gelang, drei Treffer vorzulegen, die später nicht mehr aufzuholen waren.

Die Gastgeber hatten das einzig richtige Rezept gefunden, um die doch in vielen Spielen bewährte Dynamo-Deckung aufzureißen, unsicher zu machen und dann plötzlich zu bezwingen. Allein mit Steilpässen ist bei einem so schnellen Mittelverteidiger, wie Werner Heine, wohl kaum etwas zu holen. Aber Lok spielte nicht nur steil und dabei allerdings sehr genau, sondern verstand es meist die Mischung zwischen Kurzpaß- und weitem Spiel anzuwenden. In dieser Form und mit diesen spielerisch starken Mitteln dürfte der SC Lok auch im weiteren Verlauf der Punktspielsaison einen zehr starken Gegner abgeben. Das 0:3 sollte für Dynamo eine Lehre sein, in Zukunft keine Mannschaft zu unterschätzen, sich der eigenen Mittel zweckmäßig und einsatzfreudig zu bedienen, damit das erhoffte Ziel nicht schon zu Beginn des Meisterschaftsrennens aus den Augen entschwindet.

SC Lok Leipzig:
Sommer; Hermann, Scherbarth, Söllner; Fischer, Drössler; Gase, Krause, Stiller, Behne, Konzack
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Bley, Fröhlich (66. Quest), Poklitar, Schröter, Klingbiel

1:0 Stiller          (47.)
2:0 Hermann          (51.)
3:0 Behne            (61.)

Schiedsrichter:      Vogel (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:           10.000

Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 22.03.1960