25. Spieltag 1959: SC Wismut Karl-Marx-Stadt - SC Dynamo Berlin 2:1

Anwartschaft auf Meistertitel nach der Pause bestätigt
Ob ich schon den neuen Deutschen Meister 1959 sah? Die ersten 45 Minuten hatte man jedenfalls im Auer Otto-Grotewohl-Stadion das Gefühl, daß der SC Wismut mit bergeversetzender Kraft auf dieses Ziel lossteuerte. Ich sagte: in den ersten 45 Minuten. Denn in der zweiten Halbzeit gab es, wie schon am Vorsonntag Im Erfurter Spiel, viel Leerlauf. Besonders als Thiele in der 53. Minute einen unnötigen Elfmeter verschuldete, verloren die Spieler um S. Wolf und W. Tröger die Linie. Von diesem Zeitpunkt an wurde Dynamo öfter, als der Wismut-Hintermannschaft lieb, torgefährlich. Ich weiß nicht, ob die Hintermannschaft der Gastgeber bei noch stärkeren Sturmleistungen diese Belastung ohne Torverluste überstanden hätte. Erst in der 70. Minute machte sich der Ex-Meister wieder frei, nahm wieder die Spielführung in die Hand, ohne aber so zwingend aufzuspielen wie in der ersten Halbzeit.

 Was mich bei Wismut besonders beeindruckte: Erler spielte dieses Mal Mittelstürmer, Tautenhahn Linksaußen, der sich mit Tröger laufend auf diesem Posten ablöste. Der rechte Flügel mit Zink und Killermann hatte in den ersten 45 Minuten große Szenen. Für Karl Wolf, der z. Z. an Gelenkrheuma leidet, sahen wir erstmalig seinen Bruder Siegfried Wolf als linken Verteidiger. Um es gleich zu sagen, Siegfried Wolf war als Verteidiger ein Volltreffer. Er bot am Sonntag gegen den SC Dynamo eine Leistung, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Durch diese außerordentlich starke Leistung stellte er manches Mal zwei Gegenspieler völlig matt. Dadurch konnte M. Kaiser es sich erlauben, den eigenen Angriff anzukurbeln. Dynamo hatte die erste große Gelegenheit, in Führung zu gehen. Mittelstürmer Bley lag in der 6. Minute eine Großchance vor den Füßen.

Quest hatte ihn uneigennützig freigespielt. Bley, wahrscheinlich selbst überrascht, so allein vor Thiele zu stehen, schoß überhastet vorbei, so traf es aber Dynamo in der 19. Minute wie ein Donnerschlag. Zink erlief sich einen Abschlag seines Torhüters Thiele, überspurtete Mittelverteidiger Dorner, lief dann noch fast 20 Meter mit dem Ball am Fuß dem, Dynamo-Tor entgegen und ließ dann dem herauslaufenden Marquardt keine Chance mehr. Wismut spielte in der Folgezeit 20 Minuten guten Fußball, beherrschte den Gegner trotz des schweren Bodens meisterhaft, kam immer besser ins Spiel und zeigte, wie man modern spielen muß. Der SC Wismut hüpfte jetzt förmlich über alle Sprossen technischer Meisterschaft und zog alle Register taktischen Könnens. Er wandte aas Rezept einer wirklichen Klassemannschaft an, nämlich den Ball solange wie möglich in den eigenen Reihen zu halten.

Die Außenläufer bildeten mit Erler ein Dreieck, das spielbestimmend war. Vor allem in der ersten Halbzeit. Dazu kam noch die außerordentlich gute Form von Willi Tröger, der dieses Mal ganze 90 Minuten durchhielt. Böllerschüsse wurden in die Luft gefeuert, als Tautenhahn, ebenfalls nach schnellem Flankenwechsel, durch einen Hackentrick von Manfred Kaiser völlig freigespielt wurde und den Ball zum 2:0 über die Torlinie beförderte. Dieser Treffer war der Höhepunkt der Begegnung. Die Reserve des SC Wismut schlug die Reserve des SC Dynamo 4:2. Die Reserve des SC Wismut hatte gegen den Spitzenreiter der Reserve-Mannschaften eine ausgezeichnete Form mitgebracht. Besonders Viertel und Eberlein waren die Initiatoren im Angriff des SC Wismut, während in der Hintermannschaft Bauer herausragte. Der SC Dynamo enttäuschte wie schon gegen Motor Zwickau auch dieses Mal im Auer Otto-Grotewohl-Stadion.

SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Thiele; Schlegel, Müller, Wolf; Seifert, Kaiser; Killermann, Zink, Erler, Tröger, Tautenhahn
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Thiemann, Dorner, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann (46. Basel), Ringmann, Bley, Schröter, Quest

1:0 Zink               (19.)
2:0 Tautenhahn         (36.)
2:1 Quest              (53., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Bergmann (Hildburghausen)
Zuschauer:             12.000


Hans Wolfrum, Neue Fußballwoche, 24.11.1959