23. Spieltag 1959: SC Aktivist Brieske-Senftenberg - SC Dynamo Berlin 3:1

Lemanczyk wie ein Slalomläufer
Zum Meisterschaftsendspurt hat der SC Aktivist noch einmal alle Kräfte mobilisiert. Dieses geschieht mit recht gutem Erfolg, wie die letzten Spiele zeigten. Und davon legte der 3:1-Sieg über Berlin einen neuen Beweis ab. Eine unkonzentrierte Leistung von Anfang an ließ die Dynamo-Mannschaft auf nun wieder mehr und mehr gefürchtetem Briesker Boden scheitern. Hinter dem einheimischen Doppelpunktgewinn stand erneut ein bergeversetzender Wille, und wenn einem Spieler etwas mißlang, dann sprang sofort der nächste selbstlos in die Bresche. So etwas schafft Vertrauen in die eigene Kraft, zumal die Aktivist-Elf bald spitz gekriegt hatte, daß ihr ein Partner gegenüberstand, der nicht gerade seinen besten Tag aufweisen konnte. Aus dem Mannschaftsrahmen des Siegers muß aber Heini Lemanczyk herausgehoben werden, der geradezu eine Superform erreichte und neben einer anerkennenswerten spielerischen Leistung selbst die entscheidenden Schläge austeilte.

Beim Führungstreffer war ein direkt verwandelter Freistoß aus etwa 20 Meter Entfernung unheimlich scharf und plaziert getreten, so daß die Dynamo-Mauer die Köpfe wegzog und Marquardt chancenlos gegen den links neben ihm im Dreiangel einschlagenden Ball war. Die Gefährlichkeit dieses Halbstürmers erkannte man in der manchmal doch etwas zu sorglos wirkenden Dynamo-Abwehr zu spät. Bereits nach 10 Minuten schlängelte sich der Briesker wie ein eleganter Slalomläufer um viele Spieler im weinroten Dress vorbei und schoß ein. In 10 Minuten zwei Tore gegen eine immerhin sonst hoch einzuschätzende Deckung, das ging den Gästen doch an die Nieren. Wie man aber Lemanczyk, der dann noch den Foulelfmeterball verwandelte, zu viel auf Freiersfüßen ließ, hatten auch die Außenstürmer einen ihnen nur angenehmen Spielraum. Die Dynamo-Elf brauchte meist zu lange, ehe sie in Briesker Tornähe  stand. Das Abspiel der Außenläufer war insgesamt gesehen eher schlechte Konfektionsarbeit als Maßarbeit.

In Quest verfügen die Berliner über ihren besten Stürmer, der wegen seiner Schnelligkeit und der technischen Perfektion am Ball für die gesamte Aktivist-Deckung ein sehr starkes Gefahrenmoment darstellte, weil er auch oft auf dem rechten Flügel auftauchte. Es schien so, als gaben sich die Berliner nach dem 1:3 schon frühzeitig geschlagen, denn nach diesem Rückschlag war die Elf eine ganze  Zeitspanne lang wie gelähmt. Als man kaum noch etwas ändern konnte, in den letzten 10 Minuten nämlich, da erspielte sich die  Dynamo-Elf eine Feldüberlegenheit gegen den ausgepumpten Gastgeber. Viele kleine und große Böswilligkeiten auf beiden Seiten zwangen fortwährend zur Unterbrechung. Bei den Reserven verteidigte Dynamo erfolgreich die Tabellenspitze und gewann nach einwandfrei besserer Leistung mit 4:1 gegen die resignierenden Gastgeber. Dabei mußte Dynamo einer 2:0-Führung ab der 30. Minute mit 10 Mann auskommen (Platzverweis Rentsch).

SC Aktivist Brieske-Senftenberg:
Bergmann; Krüger, Ratsch, Dutschmann; Gentsch, Lehmann; Reichel; Natusch, Marquardt, Lemanczyk, Scholz
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann (74. Schäffner), Basel, Bley, Schröter, Quest

1:0 Lemanczyk          (12.)
2:0 Lemanczyk          (22.)
2:1 Schröter           (34., Handstrafstoß)
3:l Lemanczyk          (62., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Kunze (Karl-Marx Stadt)
Zuschauer:             2.000


Joachim Schulz, Neue Fußballwoche, 10.11.1959