21. Spieltag 1959: SC Dynamo Berlin - SC Fortschritt Weißenfels 4:0

Mit Selbsttoren reichlich bedacht
Nein, es war wahrhaftig keine Freude, diesem Spiel zuschauen zu müssen. Nicht nur das Wetter war trist und trübe. Es gab auch keinen Grund, durch das Spiel ein klein wenig angewärmt zu werden. Vergeblich wartete man da auf irgendwelche Höhepunkte. Und wenn man schon spielerische Leckerbissen vermißte, so hätte man doch zumindest ein wenig durch kampferfüllte Szenen vor den Toren in Spannung geraten können. Aber nichts von dem. Es mag vielleicht paradox klingen, wenn man von einem 4:0 hört und dann doch zu lesen bekommt, daß der Torwart der unterlegenen Mannschaft erst in der 82. Minute zu einer großen Parade herausgefordert wurde. Das 1:0 - der Schuß von Quest - war eigentlich mehr ein Selbsttor, weil das Bein von Gänkler dazwischen war und den Schuß so abfälschte, daß Tuszynski den Ball über seine Hände ins Tor springen ließ. Das dritte Tor hatte wieder Gänkler auf dem Gewissen, der bei einer Flanke von Hofmann einen völlig unhaltbaren Kopfball ins eigene Netz setzte.

Und beim letzten Treffer, den Basel durch einen abgewehrten Schuß eingeleitet hatte, verhaspelte sich Tuszynski, als der Nachschuß von Hofmann kam. Das Leder glitt durch seine Füße über die Torlinie - also wieder ein halbes Selbsttor. Nur beim Treffer Nr. 2 war einmal kein Gegner mit im Bunde. Als Quest in den Strafraum hereingab, stand Bley völlig frei acht Meter vor dem Tor und schoß chancenlos für den Tormann ein. Warum diese exakte Beschreibung aller vier Tore? Weil sie kennzeichnend für den Spielverlauf ist. Der Dynamo-Sturm in dieser Verfassung hätte gegen einen Gegner, der aus anderem Holze geschnitzt wäre, wohl kaum einen Treffer zustande gebracht. Er bekam überhaupt erst mehr Witz und wurde spritziger, als es dem Ende zuging und der Gegner bereits völlig überfahren war. Da machte sich der Wert der Dynamo-Läufer und Schröters Spielintelligenz immer stärker bemerkbar.

Es war also wirklich nicht das Beste, was Dynamo diesmal zu bieten hatte. Dennoch war es unvergleichlich mehr als das, was uns die Weißenfelser Fußballer, abgesehen von der Abwehr, zu zeigen vermochten. Ihre Angriffsreihe wirkte derart harmlos und umständlich, daß man wahrhaftig nur zwei oder drei Situationen erleben konnte, in denen - einmal sogar durch krassen Fehler der Dynamo-Verteidigung - das gegnerische Tor ernsthaft bedroht wurde. Gewiß, der Ball mag schwer und glitschig gewesen sein, die Ballbehandlung entsprechend erschwert. Doch soviel elementare Fehler darf sich kein Oberligaspieler leisten. Man konnte sich die über mehrere Stationen laufenden Kombinationen an fünf Fingern abzählen. Und das war schade, denn von den Weißenfelsern haben wir von größeren Taten als dieser wenig rühmlichen gehört. Die Reserven trennten sich mit 6:2. Weißenfels' Hintermannschaft war völlig aus den Fugen geraten. Auch hier wieder ein Selbsttor (Ebisch). Die anderen fünf Tore für Dynamo schössen Ringmann (3.), Thiemann und Velebil. Weißenfels' Torschütze: Klappzynski (2.).

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann, Bley, Quest, Schröter, Retaentisch (72. Basel)
SC Fortschritt Weißenfels:
Tuszynski; Gänkler, Reinhardt, Wiesemann; Dallagrazia, Elzemann I; Blatt, Ackermann, Elzemann II, Meyer, Degenkolbe (62. Prell)

1:0 Quest              (27.)
2:0 Bley               (59.)
3:0 Gänkler            (73., Eigentor)
4:0 Hofmann            (89.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             1.500




Götz Hering, Neue Fußballwoche, 27.10.1959