Spielbericht 18. Spieltag 1959: SC Dynamo Berlin—SC Turbine Erfurt 2:0

Günter Schröter gratulierte Rolf Jahn
Es ist schon lange her, daß ich den SC Turbine nicht mehr spielen sah. Aber was ist aus der Elf in der Zwischenzeit geworden? Zwischen der von damals und derjenigen von heute liegt vom rein Spieltechnischen her gesehen ein Unterschied wie Tag und Nacht. Nur ein Beispiel: Was hatte Erfurt für eine hervorragende Läuferreihe! Rosbigalle, Nordhaus und Müller bildeten damals die Mannschaftsachse, und von diesen Spielerpersönlichkeiten lebte das ganze Erfurter Spiel. Was ist davon Übriggeblieben? Nur Rosbigalle sahen wir noch in Berlin. (Jochen Müller zog sich im Training in der vergangenen Woche eine Knöchelverletzung zu.) Rosbigalle, der am ehesten dafür berufen gewesen wäre, in diesem Berliner Meisterschaftsspiel der Motor seiner Mannschaft zu sein, war mit Deckungsaufgaben so belastet, daß man ihn kaum "spürte".

Das Fehlen Jochen Müllers war für Trainer Rüger zweifellos ein Handicap. Erfurts Trainer hatte sich gerade für diese Begegnung eine besondere Konzeption ausgedacht, die aber durch die Verletzung des langen Jochen völlig zerschlagen wurde. Wohl kam nach langer Pause Verteidiger Franke wieder zum Einsatz, aber er allein konnte die Niederlage nicht aufhalten. Dynamo begann verheißungsvoll: Schon in der fünften Minute konnte Velebiel zur 1:0-Führung einschießen. Linksaußen Bley hatte zwei Erfurter Abwehrspieler stehengelassen, seine Flanke spielte Nippert direkt zu Velebiel zurück, der von der Elfmetermarke kurz entschlossen das Leder über den verdutzten Jahn hob. Wer nun hoffte, daß diese schnelle Führung den Dynamos das nötige Selbstvertrauen geben würde, sah sich getäuscht. Obwohl in der gesamten ersten Halbzeit überlegen, wurde daraus kein Kapital geschlagen. Man beging dazu noch den Kardinalfehler, das Flügelspiel völlig zu vernachlässigen. Die Außenstürmer waren mehr innen als auf der Position des Flügelstürmers zu finden. Durch diesen taktischen Fehler kam man dem Gegner mehr als entgegen.

Ja, in der zweiten Halbzeit wurden die Gaste sogar gleichwertig, und hätte Dynamo nicht zur Zeit eine so großartige Hintermannschaft, ich glaube sagen zu dürfen, dann wäre bestimmt ein Punkt mit nach Erfurt gegangen. Bis zur 87. Minute sah es jedenfalls nicht nach einem so klaren Dynamo-Erfolg aus, denn das Spiel des Gastgebers war völlig verflacht. Erst als Schröter endlich die Zügel wieder in die Hand nahm und plötzlich frei vor Jahn stand und durch einen herrlichen Schuß Jahn zu einer prachtvollen Parade zwang, bekam das Spiel wieder Farbe. Eine schöne Geste von Schröter, als dieser nach Jahns hervorragender Torwartleistung diesen beglückwünschte. Solche Szenen von fairer, sportsmännischer Haltung müßte man öfter auf unseren Sportplätzen sehen! Die 88. Minute Brachte dann das 2:0, Schäffners Flanke verpaßte Jahn, so daß der freistehende Basel nur noch ins leere Tor zu köpfen brauchte. Das Paradestück von Dynamo: die Hintermannschaft mit Marquardt, Dorner, Heine und Skaba. Im Sturm gefiel Bley, der sich seiner alten Form nähert. Bei Erfurt gefielen Franke, Rosbigalle, Skaba und Dittrich. Die Reserven trennten sich 5:1 für Dynamo.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Nippert (69. Basel), Schäffner, Velebiel, Schröter, Bley
SC Turbine Erfurt:
Jahn; Hoffmeyer, Skaba, Franke; Dittrich, Rosbigalle; Langwagen, Gratz (70. Utta), Knobloch, Bach, Wallrodt

1:0 Velebiel           ( 5.)
2:0 Basel              (88.)

Schiedsrichter:        Kunze (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             3.000


Hans Wolfrum, Neue Fußballwoche, 29.09.1959