10. Spieltag 1959: SC Dynamo Berlin - SC Aktivist Brieske-Senftenberg 2:0

Brieske erwachte, als das Spiel schon verloren war
Dem Spiel im Walter-Ulbricht-Stadion fehlte fast 45 Minuten alles, was eigentlich das Fußballspiel so schön macht: Dramatik, Tempo, fliegende Kombinationen und Torschüsse. Es war ein Spiel ohne große Anregung, ohne den nötigen Pfeffer, Dinge, die sonst unseren Meisterschaftsspielen eigen sind. Ich sah Brieske in diesem Jahr das erste Mal spielen und muß feststellen, daß diese Elf nicht die Urwüchsigkeit von ehedem besitzt und auch über 90 Minuten nicht mehr so kampfstark ist wie einst. Das Glanzstück des SC Dynamo ist zur Zeit die Abwehr. 70 Minuten beherrschte dieser Abwehrblock souverän die Kumpel aus dem Kohlenpott. Die Briesker Deckung war dagegen oft sehr brüchig. Vor allem Krüger fand 60 Minuten zu seinem Linksaußen Quest keine Einstellung. Glück für Brieske: der Dynamo-Sturm erkannte die Achillesferse der Briesker nicht, sonst wäre es für die Gäste noch schwieriger geworden.

Ich will aber damit sagen, daß der Dynamo-Sturm trotz des so klaren 2:0-Sieges insgesamt gesehen keine Offenbarung war. Es ist kurios, zugleich sagen zu müssen: die Dynamos haben nicht gut gespielt, aber doch klar gewonnen. Auch so etwas gibt es im Fußball. Brieskes großes Erwachen kam etwa 20 Min. vor Spielschluß. Als schon alles verloren war, ging durch die gesamte Briesker Mannschaft ein Ruck. Da schoß Verteidiger Krüger sogar kraftvoll mit aufs Tor und zeigte, daß er ganz anders spielen kann als vordem. Da schossen auch die Jungen - wie Bischoff und Reichel - herzhaft auf Klemms Kasten. Hätte Lemanczyk an seine einstige Form angeknüpft, wäre wahrscheinlich aus dem 2:0 noch ein 2:2 geworden. Vier Großchancen zählte ich in den letzten 20 Minuten für die Briesker Knappen. Aber es war schon viel Geschick und Glück, mit dem die Gastgeber diese Schlußoffensive überstanden.

Torwart Heinz Klemm zeichnete sich in dieser Zeit bei Dynamo besonders aus. Er ist noch immer eine verläßliche Stütze für den SC Dynamo. Bei Dynamo konnte man feststellen, daß Schröter erst in der zweiten Halbzeit alles auspackte, was in ihm steckt. Sein Tor, das er in der 47. Minute schoß, war eine hervorragende Leistung. Er leitete im Mittelfeld die Kombination ein und war es auch dann, der die Rechtsflanke von Thiemann kaltblütig einschoß. Der zweite ähnelte dem ersten Treffer "aufs Haar". Wieder kam die Flanke von rechts, diesmal von Hofmann, Quest stand bereit und drückte ein. 2:0 lag Dynamo vorn. Man glaubte, daß nun bei Dynamo endlich der Faden gerissen war. Aber das Gegenteil trat ein. Brieske war dann auf einmal die Mannschaft, die auf dem Feld herrschte. Besonders gut gefiel mir diesmal Bley: Sein Fleiß und sein Tatendrang waren einzigartig in diesem Spiel. Ebenso Quest am linken Flügel, der sich immer mehr im Dynamo-Angriff einlebt. Brieske hatte in Jünemann und Natusch seine stärksten Kräfte.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Dorner, Heine, Skaba; Maschke. Mühlbächer (57. Basel); Hofmann, Bley, Thiemann, Schröter, Quest
SC Aktivist Brieke-Senftenberg:
Jünemann; Krüger, Ratsch, Dutschmann (65. Matschak); Gentsch, Natusch; Reichel, Bischoff, Marquardt, Lemanczyk, Redlich

1:0 Schröter           (47.)
2:0 Quest              (56.)

Schiedsrichter:        Green (Limbach)
Zuschauer:             4.000

Hans Wolfrum, Neue Fußballwoche, 02.06.1959