04. Spieltag 1959: SC Dynamo Berlin - BSG Lok Stendal 2:2

Erst nach dem 0:2 erwachte Dynamo
Nun zog auch in Berlin der Fußballfrühling ein. Diese Feststellung darf man, wenn man an die beiden letzten Punktetreffen in der Hauptstadt denkt, getrost an den Anfang setzen, nicht nur wegen des strahlenden Sonnenscheins. Welch herrliche Angriffszüge der Gäste in der ersten Halbzeit, welch entschlossenes Aufbegehren der Berliner nach dem Wechsel, welch dramatische Szenen bis zum Schlußpfiff! Entscheidenden Anteil am guten Niveau dieses Spieles hatten ohne Zweifel die sympathischen Stendaler Jungen, die noch immer ohne ihren Stamm-Linksaußen Klingbiel antreten mußten. Sie waren es, die das Spiel von Anfang an "machten" und die erfahrene Dynamo-Abwehr mit herrlichen Rochaden mitunter aus dem Sattel hoben. Alle Stürmer zeigten sich sehr selbstbewußt, technisch gut beschlagen und taktisch hervorragend beraten, wobei wir den jungen Albrecht Strohmeyer besonders erwähnen wollen.

Er schlug sich auf dem Posten des Linksaußen sehr achtbar, zeigte sich auch in Zweikämpfen gegenüber früher härter und entschlossener, baute schon im Mittelfeld mit auf und bildete mit Lindner häufig ein kreuzgefährliches Duett. Demgegenüber fanden die Dynamo-Sportler nicht wie gewohnt zu ihrem Spiel. Die Außenstürmer taten sich schwer gegen den jungen talentierten Prebusch und den kampffreudigen Weißkopf, und Günter Schröter hatte in Küchler einen zähen Gegenspieler. Nur wenn die Läufer mit nach vorn rückten, wurde es gefährlich für die von Köhler mit Routine und Übersicht dirigierte Abwehr. Solch brenzlige Situationen traten vor allem im Anschluß an Eckbälle zutage, so in der dritten und dreißigsten Minute, als Mühlbächer alle Abwehrspieler übersprang, aber Falke und Weißkopf auf der Torlinie retteten und als Thiemanns Kopfball nur die Latte traf. Die zweite Halbzeit brachte ein völlig anderes Bild.

Waren die Stendaler bislang klar auf denn Vormarsch, so strebten sie jetzt danach, offensichtlich ihren Vorsprung zu verteidigen, obwohl, wie Trainer Gerhard Gläser uns versicherte, eine solche Anordnung nicht gegeben war. Gerade bei diesem Bestreben aber zeigten sich die Schwächen der Gästemannschaft. Meist wurden nämlich die Abwehrschläge unkontrolliert ausgeführt, so daß die Stürmer nicht in Ballbesitz kamen und die soeben abgeschlagene Angriffslawine der nunmehr erwachten Dynamo-Elf von neuem anrollte. Eine hohe Flanke des neu ins Spiel gekommenen Hofmann von Rechtsaußenposition nach schlechter Stendaler Abwehr brachte durch Bley den hochwichtigen Anschlußtreffer, dann verwehrte der Pfosten einen Schuß desselben Spielers den Erfolg, und schließlich stellte Dorner, der nach der Pause stürmte, während Basel verteidigte, nach guter Vorarbeit von Maschke und Schröter aus Nahdistanz das alles in allem gerechte Unentschieden her. In diesen Schlußminuten mußte sich die Mannschaft aus der Altmark sogar noch mit aller Kraft gegen die drohende Niedertage stemmen, wobei Torhüter Falbe sich mehrmals auszeichnete.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Thiemann (58. Hofmann); Schröter, Bley; Basel, Nippert
BSG Lok Stendal:
Falke; Prebusch, Köhler, Weißkopf; Brüggemann, Küchler; Linkert (68. Güssau), Lindner, Weißenfels; Liebrecht; Strohmeyer

0:1 Linkert            (25.)
0:2 Liebrecht          (39.)
1:2 Bley               (60.)
2:2 Dorner             (87.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             6.000

Harro Römer, Neue Fußballwoche, 24.03.1959