25. Spieltag 1958: SC Dynamo Berlin - SC Empor Rostock 2:1

Schröter-Pässe, das richtige "Fressen" für Dorner & Co.
Die Mannschaften hatten kaum das Spiel begonnen, als wir feststellten, daß Schaller und Minuth die Plätze getauscht hatte. Sinn dieser Umstellung war wohl, daß man Schröters Wirkungskreis begrenzen wollte. Allerdings verspürten wir späterhin nicht viel davon. Unser Nationalspieler ging diesmal recht haushälterisch mit seinen Kräften um und fiel in zurückgezogener Position immer wieder durch seine bestechend schönen Vorlagen auf. Sie waren das richtige "Fressen" für die schnellen Dynamo-Stürmer. Besonders in der zweiten Halbzeit schafften sich die Außen enormen Respekt. Es kam schließlich so weit, daß die gesamte Empor-Abwehr der Reihe nach einen Schnitzer nach dem anderen fabrizierte und bei den Steilangriffen mit der Aufteilung ihrer Deckungsbereiche nicht mehr einig wurde.

Es hätte dem Resultat nach schlimmer werden können, als diese ansteckende Nervosität umging, als der Ball auf kurze Distanz dem Gegner in die Füße geschoben wurde, als einmal Pöschel, einmal Minuth sich so schwache Rückgabe leisteten, daß jedesmal beinahe noch ein Dynamo-Stürmer den Ball ersprintet hätte. Mitentscheidend für den starken Druck, den die Berliner Elf auszuüben vermochte, waren wiederum die drangvollen Läufer Maschke und Mühlbächer. Bezeichnend für die Gefahr, die von ihnen ausging und die Empor dazu zwang, sie bei ihren Aktionen schon frühzeitig in Augenschein zu nehmen, waren ihre scharfen Geschosse von zwanzig, fünfundzwanzig Metern aus, die dem Spiel oftmals zusätzliche Würze gaben. Schon in der dritten Minute befand sich Maschke auf Linksaußen-Position und gab von dort eine Flanke vor das Tor, in die Dorner förmlich hineinflog.

Ebenso prächtig erhechtete sich jedoch Schröbler dieses Geschoß von Dorners Kopf. Ein furioser Beginn also, und die Zuschauer brauchten sich nicht zu beklagen, denn es gab solche Situationen im Spiel noch des öfteren - nicht nur vor dem Rostocker Tor! Besonders Hansi Speth kämpfte sich auf Linksaußen einige Male durch, flankte und schoß eminent gefährlich. Einmal, als Klemm das Leder verpaßt hatte und Zedel in die Flanke hineinlief, rollte der Ball nur an den Außenpfosten. Leider vergaß man später Speths Gefährlichkeit und spielte lange Strecken in der zweiten Halbzeit nur noch auf der rechten Seite. Das muß verwundern, denn die Flügelstürmer - also auch Lembke, auf dessen Flanke hin Bialas schließlich auch den Ausgleich herstellen konnte - brachten dem Empor-Spiel weitaus mehr Durchschlagkraft als das kurze Passen in die Sturmmitte, ja manchmal schon in Spielfeldmitte.

Solange man sich darin verzettelte, konnte beim besten Willen kein Erfolg herausspringen. Von den großen Chancen des Spiels seien hier nur wenige aufgezählt. Dazu gehören Mühlbächers Mordsschuß von 30 Metern an die Querlatte, Bleys ebenso wuchtiger Schuß an den rechten Innenpfosten (der Ball rollte aber nur die Torlinie entlang), aber auch die Szene acht Minuten vor dem Spielende, als Bialas in eine Speth-Flanke hineinflog und plötzlich doch noch ein Bein auf der Torlinie den Ball hinausschlug. Eine freudige Überraschung bereitete sich Schäffner selbst, indem er, der sonst nicht zu den besten Torschützen zählt, diesmal gleich beide Treffer anbrachte. Das eine Tor schoß er nach einer verunglückten Abwehr der Rostocker aus dem Hinterhalt flach ein, das andere vollstreckte er von der Eckfahne aus direkt, und es gelang den im Tor hochspringenden Abwehrspielern nicht mehr, den Ball noch vor der Linie zurückzuköpfen.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Heine, Schneider; Maschke, Mühlbächer (63. Thiemann); Bley, Schäffner, Dorner, Schröter, Nippert
SC Empor Rostock:
Schröbler; Schmidt, Pöschel, Singer; Schaller, Minuth; Lembke, Bialas, Leeb, Zedel, Speth

1:0 Schäffner          (22.)
1:1 Bialas             (50.)
2:1 Schäffner          (61.)

Schiedsrichter:        Becker (Halberstadt)
Zuschauer:             2.000

Götz Hering, Neue Fußballwoche, 18.11.1958