17. Spieltag 1958: SC Dynamo Berlin - ASK Vorwärts Frankfurt (Oder) 1:2

Steigerung nach dem Wechsel ausschlaggebend
Bis zur 50. Minute dieses Kampfes sah es schlecht aus um den Spitzenreiter, deutete nichts darauf hin, daß er sich später noch so erheblich steigern und schließlich den Sieg davontragen würde. Bis zu diesem Zeitpunkt dominierte der SC Dynamo einwandfrei, in seiner sicheren Spielgestaltung dabei offenbar ganz deutlich von jener schnellen 1:0-Führung zehrend, die der Halblinke Bley in der 3. Minute mit straffem Schuß aus 20 Meter Entfernung herausgeholt hatte. Die Aktionen der Blau-Weißen waren bedeutend zügiger und von gutem mannschaftlichen Zusammenhalt getragen, sie verloren sich nicht in der Breite des Raumes, wie das beim ASK immer wieder der Fall war. Und im gleichen Maß, wie sich der SC Dynamo immer mehr steigerte und selbstsicherer wurde, verlor Vorwärts den Faden, besonders dann in den letzten zehn Minuten der ersten Hälfte zusehend nervöser und unsicherer werdend.

Tatsächlich war bis dahin kein Anzeichen dafür vorhanden, daß Vorwärts noch dazu fähig wäre, die Entscheidung zu erzwingen. Nicht zum erstenmal hat allerdings ein Treffer bedeutenden Aufschwung gegeben. Auch für den ASK bedeutete jenes Tor in der 50. Minute, vom eifrigen und athletisch prächtig durchgebildeten Vogt über die Stationen Wachtel (Flankenball) und Meyer (Kopfball-Zuspiel) mit Direktschuß im Fallen erzielt, die Wende. Mit zunehmender Spieldauer bestimmte Vorwärts nunmehr das Geschehen, wurde im Vertrauen in die eigene Stärke so aufgespielt, wie es die erwartungsfrohen Besucher im ersten Abschnitt vom Tabellenführer wiederholt vermißt hatten. Von großem Wert war dabei allerdings auch die in der Pause erfolgte Auswechslung zwischen Marotzke und Wachtel.

Für den linken Läufer kam nun Hermann an gleicher Stelle zum Einsatz, während Wachtel auf Linksaußen stürmte und Wirth die Position am rechten Flügel einnahm. Wachtels kraftvolle Sturmläufe im Tempo eines 100-Meter-Sprinters mit folgenden Scharfschüssen belebten endlich das Spiel der Vorwärts-Elf, machten es schneller, zügiger und damit gefährlicher. Der zweite Abschnitt verlief also mit vertauschten Rollen. Fest steht jedoch, daß der SC Dynamo sein deutliches Übergewicht in den ersten 45 Minuten zu einem sicheren Vorsprung in der Tore-Wertung hätte ausnutzen können, die höchstwahrscheinlich bei Vorwärts nicht mehr jenen Aufschwung in der zweiten Hälfte ausgelöst hätte. Doch der Gastgeber vergab die Gelegenheit, seinen spielerischen Vorteil in der entsprechenden Anzahl der Treffer auszudrücken, er nutzte nicht die zahllosen Unsicherheiten im Vorwärts-Abwehrgefüge.

So wurde zwar dem Gegner kaum eine Möglichkeit zur eigenen freien Entfaltung gegeben, andererseits aber versäumt, bereits die Begegnung zu entscheiden. Schröters lobenswerte Spielintelligenz schuf dafür wohl mehrfach die Voraussetzungen, aber am kaltblütigen Abschuß ließen es seine Nebenleute fehlen. Ernstlich bedroht wurde Dynamo vor dem Wechsel kaum, sieht man von jenen zwei blitzschnellen Durchbrüchen des emsigen Vogt ab. Zu ungenau kamen vor allem die weiten Schläge aus der eigenen Abwehr heraus, als daß die Stürmer damit sofort hätten etwas anfangen können. Oftmals trabten die Stürmer aussichtslosen Paßbällen nach. Andererseits lag das Übel im erschreckend zögernden Abspiel begründet, das speziell nur selten seinen Lauf in die Tiefe des Raumes nahm. Marotzkes unzureichende Leistung war dafür nicht die einzige Ursache.

In der Hintermannschaft des ASK, die streckenweise recht unkontrolliert operierte, lag vielfach der Ausgangspunkt der gegnerischen Konterstöße. Wie oft schalteten sich doch die Dynamo-Stürmer in das erfolglose Quergeschiebe ein, damit stets aufs neue ernsthafte Bedrohung herbeiführend! Zwar steckte der SC Dynamo in der zweiten Halbzeit nicht auf, als Vorwärts das Zepter an sich riß, es sah aber dann ziemlich schlecht aus um die Mannen um Kapitän Schröter, wenn Vorwärts über seine Flügelstürmer immer wieder Raumgewinn erzielte und mit Nachdruck das Tor ansteuerte. Besonders in Vogt traf der gegnerische Abwehrblock auf einen nimmermüden und stets nach vorn strebenden Spieler, der sich mehr als einmal mit Erfolg durchsetzte. Auch Wirth wurde zusehends gefährlicher, während sich Meyer durch sofortiges Weiterleiten des Balles zu einer der ausschlaggebenden Persönlichkeiten im Mittelfeld aufschwang. In den letzten fünf Minuten, als das Vorwärts-Spiel auf Hochtouren lief, war dann Marquardt mehrmals Retter in höchster Gefahr.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Michael, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann, Thiemann (70. Basel), Schröter, Bley, Nippert
ASK Vorwärts Frankfurt (Oder):
Spickenagel; Kalinke, Kiupel, Krampe; Unger, Marotzke (46. Wachtel); Hermann, Kohle, Vogt, Meyer, Wirth

1:0 Bley               ( 3.)
1:1 Vogt               (50.)
1:2 Vogt               (59.)

Schiedsrichter:        Green (Limbach)
Zuschauer:             20.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 02.09.1958