09. Spieltag 1958: SC Dynamo Berlin - BSG Rotation Babelsberg 2:1

"Moppel" Schröter konterte eiskalt
Das war eine wenig ansprechende vorpfingstliche Partie, die wir am Sonnabend im Berliner Walter-Ulbricht-Stadion erlebten. Verärgert konnte man nicht so sehr über die beiderseits schwachen Leistungen sein, denn daß sich das Fehlen der verletzten Stammkräfte Schöne, Adam, Bartholomäus und Selignow erheblich auf das Babelsberger Mannschaftsniveau auswirken würde, war zu erwarten. Auch auf der Dynamo-Seite vermißte man bei den Aktionen Linie, Spielfluß und Geschlossenheit. Aber kann denn eine Mannschaft jeden Sonntag gleich stark spielen? Verärgert war man jedoch zu Recht über die Ruppigkeiten und Unsauberkeiten bei Zweikämpfen, die von beiden Seiten oft sogar vorsätzlich betrieben wurden.

Eine große Leistung vollbrachte hier Schiedsrichter Becker, der in diesem brodelnden Kessel der überhitzten Gemüter Ruhe und übersicht behielt und hart und unerbittlich durchgriff. Die Gastgeber legten gleich großartig los, und so fiel auch schon nach wenigen Minuten der erste Treffer. Ein überraschend weiter Flügelwechsel brachte Matzen in Ballbesitz, elegant köpfte sich der Linksaußen das Leder über den schwerfälligen Pillau vor die Füße und knallte es aus der Luft unter den Querbalken. Ein großartiges Tor, und das mit rechts, Hannes! Wer nun - und das waren viele - eine Fortsetzung des Torsegens erwartet hatte, wurde schwerstens enttäuscht. Ob die Sturmreihe zu sehr unter dem Fehlen von Bley und Nippert zu leiden hatte?

Ich glaube kaum, denn kein Spieler war ein Ausfall. Einzig gefährlich blieben die leider zu selten angewandten Rochaden zwischen Schröter und Matzen. Und der gegnerische Sturm? Hier wehte bis in die zweite Halbzeit hinein nur ein Lüftchen. Alle Stürmer, außer Aldermann, hatten gegen die harte und unerbittliche Dynamo-Verteidigung - Heine war einmal mehr überragend so gut wie nichts zu bestellen. Eigenartigerweise nahm die Angriffswirkung der Babelsberger zu, als sie mit 10 Mann auskommen mußten (Dreßler wurde wegen Nachschlagens des Platzes verwiesen). So führte unter anderem ein Vorstoß zum 1:1, als Skaba im Strafraum "Hand machte" und Pillau unerbittlich die Exekution vollstreckte.

Doch nun begann die Tragik des Babeisberger Spieles. Den Gästen saß augenscheinlich der Freudenschreck noch in den Gliedern, als Moppel Schröter urplötzlich konterte. Salzwedel hatte eine Rückgabe zu schwach abgewehrt, Schröter schaltete sofort, blitzschnelle Drehung und Torstoß war eins. Idee und Ausführung dieser Handlung waren schneller als jegliche Reaktion bei Freund und Feind. Trainer Bachmann: "Das war das schwächste Spiel, das wir in dieser Saison lieferten." Trainer Jakob: "Auf Grund der vielen Verletzungen lag unsere Chance nur im Kämpferischen. Aber Kampf allein genügt eben nicht."

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Bock, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Thiemann (17. Basel), Hofmann, Schröter, Schäffner, Matzen
BSG Rotation Babelsberg:
Salzwedel; Pillau, Jeronimus, Arnold (47. Walkowiak); Simon, Harbolla; Anders, Aldermann, Lorenz, Behrendt, Dreßler (53. Platzverweis)

1:0 Matzen             ( 4.)
1:1 Pillau             (84., Handstrafstoß)
2:1 Schröter           (86.)

Schiedsrichter:        Becker (Halberstadt)
Zuschauer:             3.000

Lothar Wolske, Neue Fußballwoche, 27.05.1958