05. Spieltag 1958: SC Dynamo Berlin - SC Wismut Karl-Marx-Stadt 2:0

"Alle Reserven in die Waagschale geworfen!"
So kommentierten beide Trainer, und ihre Meinungen sollen diesmal Ausgangspunkt unserer Betrachtung sein. Zunächst gerechtermaßen Trainer Bachmann von der siegreichen Dynamo-Elf: "Es war ein dramatisches und gutes Spiel. Meine Anerkennung den 22 Aktiven. Die Spieler meiner Mannschaft haben alle gleichermaßen Anteil an dem schönen Erfolg." Und Trainer Gödicke vom SC Wismut: "Meiner Hintermannschaft unterliefen zahlreiche Unsicherheiten. Im Angriff fehlte wiederholt das Spielverständnis. Bedingt durch Trögers Verletzung erreichte der Sturm auch nicht die erforderliche Durchschlagskraft. Ich bin etwas enttäuscht."

Es steht außer Frage: Das Berliner Fußball-Publikum hat einen gutklassigen Kampf miterlebt, hat seine Freude gehabt an den zahllosen packenden Situationen, an der von beiden Seiten aufgebrachten Bereitschaft im Wettstreit um den Sieg. Geschenkt wurde diesmal nichts, und man sah den Aktiven nach Beendigung des Spiels Ihre überstandenen Strapazen deutlich an. Und wenn in der Hitze des verbissenen Gefechts auch einige Unsauberkeiten vorkamen, so vermögen diese doch den unbestrittenen Wert der Begegnung nicht herabzumindern! Ja, und hier trifft Trainer Bachmann den Kern der Dinge, wenn er den Beteiligten dafür uneingeschränkte Anerkennung ausspricht, natürlich die Leistung seiner erfolgreichen Mannschaft dabei in den Vordergrund stellt.

Wen aus ihrer Reihe sollte man über Gebühr loben, ohne dabei nicht den anderen Spieler, fast in gleichem Maß am Sieg beteiligt, hintenanzustellen? Nach einigen etwas kopflos wirkenden Aktionen gleich zu Beginn des Spiels erreichte der SC Dynamo eine lobenswerte Geschlossenheit, steigerte sich jeder einzelne in seiner ihm zugedachten Rolle. Da kämpfte Schröter mit einer Verbissenheit, seinem zähen Schatten Karl Wolf wiederholt ein Schnippchen schlagend, da suchten seine Stürmer-Nebenleute, von denen der junge Basel wiederum beeindruckte, ständig die beste Position zum Anspiel und die Lücke in des Gegners Abwehr, da schufteten Maschke und Mühlbächer unermüdlich, leiteten sie nach erfolgreicher Blockade der Wismut -Angriffe sofort wieder neue und zumeist gefahrbringende Aktionen ein.

Diese Leistung fand in der 37. Minute dann auch ihre verdiente Krönung durch einen Treffer des erneut ausgezeichnet eingestellten Mühlbächer, der einen Freistoß, Wind und die ungünstige Position des Wismut-Torhüters (sein dritter Fehler dieser Art) klug einberechnend, verwandelte. Doch beziehen wir uns auf den Ausspruch des Wismut-Trainers, der da lautete, seiner Elf habe im Sturm jener Nachdruck gefehlt, der nun einmal erforderlich ist. Man mag dem Resultat entnehmen, daß es so gewesen sein muß.

Aber: Hat der Angriff des Meisters nicht fast eine halbe Stunde lang während der zweiten Halbzeit recht ordentlich und im Ansatz auch mit der Aussicht auf entsprechenden Erfolg gespielt, wurde er aber nicht deshalb zur Erfolglosigkeit verurteilt, weil sich die Abwehr der Berliner, im ersten Abschnitt nicht immer bestens gewappnet gegen schnelle Konterstöße von Zink und Killermann, gerade in jener Zeit der Bewährung als ein festgefügter Block erwies, der keinen Zentimeter Boden freigab? Sicher ist es in diesem Fall richtig, von der Gegenwirkung auszugehen. Und sie war derart stark und tadelfrei, daß der unermüdlich stürmende SC Wismut einfach keinen Durchschlupf fand.

Sowohl Mittelverteidiger Heine, sicher im Stellungsspiel und dank seines schnellen Antritts stets im rechten Moment an den Gefahrenherden auftauchend, als auch seine "Assistenten" Bock (kampfstark und schlagsicher) und Skaba gaben sich keine Blöße. Beste Unterstützung fanden sie in Marquardt, der zehn Minuten vor Schluß den sicher erscheinenden Ausgleich verhinderte, als er eine Bombe von Siegfried Kaiser im Sprung über die Latte lenkte. Erst in diesem Abschnitt fand der Sieg der Berliner seine Bestätigung. Vergeblich war das Bemühen von Manfred Kaiser und Siegfried Wolf als die Besten ihrer Mannschaft, das Steuer herumzureißen, vergeblich auch eine Umstellung beim Meister, der zum Schluß sogar Müller nach vorn nahm. Vielmehr holte Dynamo in der 82. Minute zu einem Konterstoß aus, den der freistehende Bley abschloß und der Wismut endgültig zurückwarf.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Bock, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Bley, Basel, Schäffner, Schröter, Matzen
SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Thiele; Groß, Müller, Wagner; K. Wolf, S. Wolf; Killermann, M. Kaiser, Zink, Viertel, S. Kaiser

1:0 Mühlbächer         (37.)
2:0 Bley               (82.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             8.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 01.04.1958