02. Spieltag 1958: SC Dynamo Berlin - SC Aktivist Brieske-Senftenberg 0:2

Dynamo vergab faustdicke Torchancen
Von dieser Begegnung hatte ich mir so viel versprochen. Dynamo war am ersten Spieltag als einziger Auswärtssieger aus Jena zurückgekehrt, und Aktivist hatte gegen Weißenfels die höchste Torquote herausgeschossen. Das Spiel im Walter-Ulbricht-Stadion fing auch recht vielversprechend an. Beide Mannschaften waren bemüht, den Ball laufen zu lassen, sich den Weg zum Tor zu erspielen. Die Freude dauerte aber nicht lange. Immer häufiger wurden die Fehlzündungen der zunächst dominierenden Berliner, damit ihren Gästen Gelegenheit gebend, das Geschehen an sich zu reißen. Diese fanden aber vor der Pause auch nicht das Mittel, torreife Situationen heraufzubeschwören, obwohl Heine nicht immer im Bilde und Skaba beim Kopfballspiel recht kopflos war.

Nur einmal mußte Michael für seinen tadelfreien Torwart den Ball von der Linie schlagen. Dynamo hatte sich eine taktische Variante ausgedacht. Schäffner erhielt Order, Lemanczyk zu bewachen, damit Maschke frei wurde, das Angriffsspiel zu forcieren, während Bley sich nach rechtsaußen orientierte. Mit dieser Taktik kamen die Berliner nicht zurecht. Das anfänglich gut laufende Kombinationsspiel zerbröckelte immer mehr, wich einer Planlosigkeit, weil keiner mehr wußte, Was nun eigentlich zu tun ist. Nach der Pause, als man zum WM zurückkehrte - Maschke ging in den Sturm und Schäffner nahm dessen Außenläuferposition ein -, bekam Dynamo deutliches Übergewicht. Aber nun scheiterte es an der Kopflosigkeit im Torschuß. Solche faustdicken Chancen, wie sie Bley und Matzen völlig freistehend hatten, gehören auf den Fußballplätzen zu Seltenheiten. Und doch wurden sie verschossen. Das darf einem Oberligaspieler nicht passieren.

In solchen Fällen folgt gewöhnlich die Strafe auf dem Fuß. Und sie kam. Die Briesker, nur noch auf Konterschläge bedacht, schickten ihren ballgewandten Natusch ins lockere Abwehrgefüge. Der hatte nur noch Hindenberg vor sich, den er zunächst anschoß, um dann aber doch das Leder ins verlassene Gehäuse zu dirigieren. Acht Minuten später fast das gleiche Bild. Diesmal hatte Marquardt Heine ausgespielt. Der "gewichtige" Mittelstürmer trieb den Ball klugerweise am abseitsstehenden, nun aber nicht eingreifenden Pietrczak vorbei selbst in den Strafraum, und Hindenberg mußte sich das zweitemal geschlagen bekennen. Wenn ich abergläubisch wäre, müßte ich dieses Ergebnis als ein böses Omen für Dynamo und als ein gutes für Brieske betrachten. Vor zwei Jahren trafen hier Berliner im ersten Spiel auf eigenem Platz ebenfalls auf Aktivist. Sie waren Favorit und gaben mit 1:2 die Punkte ab. Brieske war dann am Ende der Serie Vizemeister. Dynamo mußte in den sauren Apfel des Abstiegs beißen.

SC Dynamo Berlin:
Hindenberg; Michael, Heine, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Bley, Hofmann, Schröter, Schäffner, Matzen (78. Legler)
SC Aktivist Brieske-Senftenberg:
Bergmann; Krüger, Ratsch, John; Gentsch, Lehmann; Pietrczak, Natusch, Marquardt, Lemanczyk, Redlich

0:1 Natusch            (76.)
0:2 Marquardt          (84.)

Schiedsrichter:        Paul (Dessau)
Zuschauer:             5.000

Rolf Gabriel, Neue Fußballwoche, 11.03.1958