17. Spieltag 1957: SC Dynamo Berlin - BSG Wismut Gera 4:1

Erfreulicher Beginn / unfairer Abschluß
Was doch so in 90 Spielminuten alles passieren kann! Da beginnt ein Kampf in so harmloser Art und Weise, als ob niemand ein Wässerchen zu trüben vermag. Man stellt erfreut fest, daß die Aktiven sich darum bemühen, den Ball dem Nebenmann zuzuspielen, sich in gute Position zu bringen und auch die sportliche Note zu wahren. Doch dann sind alle diese lobenswerten Eigenschaften urplötzlich vergessen. Der Anlaß ist im Grunde nichtig. Die Sündenböcke sind Legler und Fenk. Wie ein Bazillus greift nun die Unfairneß um sich. Auf jeder Seite scheinen bestimmte Spieler nur auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Es ist traurig, wie wenig sich doch viele unserer Spitzenkräfte beherrschen können. Der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses, Walter Reinhardt, der dem Treffen beiwohnte, sagte hinterher sehr richtig: Man muß sich immer wieder fragen. ob denn wirklich eine ordentliche Erziehungsarbeit in den Clubs und Gemeinschaften geleistet wird.

Die Schuld stets den Unparteiischen in die Schuhe schieben, das ist keineswegs die richtige Methode, an die Dinge heranzugehen. Rekonstruieren wir noch einmal die Situation, die der Begegnung eine so unerfreuliche Wendung gab. Legler brach kurz nach Beginn der zweiten Hälfte beim 2:1-Stand gefährlich durch, wurde unmittelbar an der 16-m-Grenze vom Geraer Stopper Fenk gerempelt (durchaus vertretbar) und geriet ins Stolpern. Er versuchte eine "Strafraumleiche" zu produzieren, worauf aber keiner hereinfiel. Fenk eilte hinzu, um Legler beim Aufstehen behilflich zu sein. So sah man es jedenfalls aus einiger Entfernung. Vielleicht sagte er irgend etwas Ironisches (das war später nicht mehr zu ergründen), Legler erhob sich und dabei rutschte ihm die Hand aus.

Nun ging Fenk zu Boden. Das Spiel war aber inzwischen weitergegangen, und der Leipziger Schiedsrichter Prill sah längst in eine andere Richtung ebenso wie der Linienrichter Nützsche (Senftenberg). Danach häuften sich die unerfreulichen Szenen. Besonders waren daran Legler, Hofmann, Erler, Fenk, Witte, Maschke und Feldweg II (sein Foul an Schröter im Mittelfeld ist vor allem zu verurteilen) beteiligt. Zu allem Unglück konnte sich Prill nicht entschließen, einen Feldverweis auszusprechen. In dieser Hinsicht sollten die Unparteiischen wirklich keine falsche Rücksichtnahme kennen. Lassen wir aber die positiven Ereignisse der ersten Halbzeit nicht völlig verblassen. Gera zeigte mit zahlreichen Aktionen, daß die Mannschaft technisch nicht zu den schlechtesten der 1. Liga gehört.

Aus der Läuferreihe, häufig auch schon aus der Verteidigung heraus, wurden systemvolle Vorstöße eingeleitet. Dynamos Abwehr, ohne die verletzten Schoen und Mühlbächer, hatte bange Minuten zu überstehen und sah sich sogar eine kurze Zeitspanne mit 0:1 im Rückstand. Auf die Dauer führte das variable Spiel Dynamos doch zu einer allmählichen Überlegenheit, obwohl Schäffner neben Maschke fast völlig ausfiel. Als es in die Pause ging, war Gera noch nicht geschlagen. Was sich dann aber im zweiten Abschnitt abspielte, war nicht dazu angetan, zur alten Linie zurückzufinden. Das letzte Verlusttor hatte Wismut keineswegs verdient, denn die Abseitsstellung Matzens wurde deutlich angezeigt, aber der Pfiff erfolgte nicht, und der Protest Geras blieb vergebens. Beeinflußt konnte der Erfolg Dynamos dadurch aber natürlich nicht werden.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael (51. Schneider), Heine; Skaba; Maschke, Schäffner; Scheibel, Hofmann, Legler, Schröter; Matzen
BSG Wismut Gera:
Jacobs; Witte, Fenk (78. Kirst), Töpel; Giersch, Petzold; Kießling, Feldweg II, Feldweg I, Erler, Schräpler

0:1 Feldweg I          (10.)
1:1 Legler             (13.)
2:1 Scheibel           (17.)
3:1 Schröter           (67.)
4:1 Hofmann            (87.)

Schiedsrichter:        Prill (Leipzig)
Zuschauer:             3.000

Hans-Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 16.09.1957