12. Spieltag 1957: SC Dynamo Berlin - BSG Motor Mitte Magdeburg 1:2

Mit wahrem Löwenmut gekämpft / Nun auch erste Heimniederlage für Volkspolizei-Elf / Gäste nutzten Fehler
Das gab ein böses Erwachen! Daran hatte man in Berlin nicht geglaubt, daß die Magdeburger den Heimnimbus des SC Dynamo brechen würden. Es war nach fünf Siegen überhaupt der erste Punktverlust auf eigenem Boden. Aber die Gäste kämpften mit einem wahren Löwenmut, als sie den stürmischen Beginn des Hausherrn überstanden hatten und bald einen 2:0-Vorsprung herausholen konnten: Ja, der Anfang. Sofort war zu merken, daß die Berliner sehr konzentriert in das Spiel gingen. Maschke-Mühlbächer beherrschten zunächst die Situation. Doch die Motor-Deckung war nicht so schnell ins Wanken zu bringen. Wie Stehaufmännchen wirkten die Magdeburger Läufer Gravert und Marzahl. Eben noch offenbar völlig in der Defensive, waren sie plötzlich "obenauf" und versuchten ihren Angriff anzukurbeln. Das gelang ihnen auch, denn in der Vorderreihe fanden sie wesentliche Unterstützung.

Hier wußte man mit dem Ball etwas anzufangen. Er wurde zumeist flach gehalten und besonders von den Halbstürmern Hirschmann sowie Niewand schnell weitergeleitet. Das konnten sie aber auch nur tun, weil sich ihre Kameraden durch ein umfangreiches Laufpensum immer wieder geschickt freistellten. So fiel Dynamo "aus allen Wolken", als Motor Mitte Magdeburg frühzeitig auf 2:1 davonzog. Zuerst nutzte Niewand eine Kubisch-Flanke mit dem Kopf zum 1:0, wobei Klemm im unpassendsten Moment das Tor verließ. Bald darauf erhöhte Kubisch auf 2:0, Einem anscheinend aussichtslosen Ball rannte er im Sprintertempo nach, erreichte ihn kurz vor der Linie und schoß aus "unmöglichem" Winkel ein. Klemm erwartete eine Flanke und deckte nicht die "kurze Ecke", aber die Hauptschuld trug in diesem Falle die sorglose linke Dynamo-Abwehrseite. Für die Verfolgungsjagd blieb den Berlinern noch genügend Zeit. Es dauerte gar nicht lange, und Dynamo verkürzte auf 1:2. Der zusammen mit Maschke voll in der Offensive befindliche Mühlbächer tauchte vor dem Magdeburger Tor auf.

Das Leder kam nach links zu Matzen, der es mit dem Kopf zu Mühlbächer zurückspielen wollte: Der Ball wurde dann in höchster Bedrängnis von einem Magdeburger Verteidiger (Koch? Er lieferte im übrigen eine kaltschnäuzige Stopperpartie) nur um wenige Meter wegbefördert. Heine stand bereit, und sein Flachschuß flitzte Michalak, der nicht mehr reagieren konnte, durch die Beine. Später war Dynamo dem Ausgleich häufig denkbar nahe. Aber in den Aktionen der Berliner spürte man viel Nervosität, die sich auch in den ungenauen Torschüssen bemerkbar machte. Einmal rettete allerdings für Magdeburg die Latte und einmal der Pfosten (Heine und Hofmann waren die Unglücksraben). Als Hänsicke schließlich in der 70. Minute im Nachsetzen den von Michalak abgeprallten Ball doch in Netz stieß, hatte Linienrichter Huber aus Döbern zugleich die Fahne wegen Abseits gehoben, Wutzig erkannte den Treffer ab. Und letzten Endes ist die Entscheidung des Schiedsrichterkollektivs maßgebend.


SC Dynamo Berlin
Klemm; Schneider; Schoen, Skaba; Maschke, Mühlbächer; Hofmann, Schröter, Heine, Schäffner (46. Hänsicke), Matzen
BSG Motor Mitte Magdeburg:
Michalak; Theile, Koch, Müller; Gravert, Marzahl; Kubisch (55. Röpke), Niewand, Strübing, Hirschmann, Stöcker

0:1 Niewand            (10.)
0:2 Kubisch            (17.)
1:2 Heine              (25.)

Schiedsrichter:        Wutzig (Wurzen)
Zuschauer:             5.000

Hans-Günther Burghause, Neue Fußballwoche, 15.07.1957