06. Spieltag 1957: BSG Lok Weimar - SC Dynamo Berlin 0:0

Abwehr in blendender Form / Sie sicherte Dynamo die Punkteteilung
Wer den Weimarer Lindenberg fünf Minuten vor der Pause betreten hätte, hätte seinen Augen nicht getraut: Dynamos Mittelstürmer Hänsicke war im eigenen Strafraum aufgetaucht und rettete gegen den quicklebendigen Weimarer Rechtsaußen Jackl. Zwar hatte gleich darauf derselbe Dynamo-Spieler eine klare Torchance - etwas hastig verzog er den Ball nach einem geschickt von Mühlbächer vor das Tor gehobenen Freistoß -, doch blieb die Szene fünf Minuten vor der Pause typisch für das gesamte Spiel: Der Tabellenführer blieb darauf beschränkt, aus der Defensive heraus zu "arbeiten". Er kam gegen die unerhört eifrigen Weimarer nicht dazu, "sein" Spiel - in systematischem Wechsel zwischen Quer- und Steilpaß - zu spielen. Man mag es nicht glauben: Weimars Aktionen wirkten flüssiger, der Kampfgeist gab den Dietel-Schützlingen Ideen. So in der 18. Minute, als Spielmacher Sonnekalb für Göring den Ball stoppte, dessen Flanke Thöne in der Drehung aufs Tor köpfte und Hindenberg waghalsig "fliegen" mußte, um das Leder aus der linken Ecke zu holen.

So gleich wieder eine Minute später, als Becker einen zu kurz abgewehrten Ball sofort wieder aufs Tor schickte und Hindenberg mit dem Aufsetzer Schwierigkeiten hatte. Ja, wenn nicht Skaba, Schoen und Mühlbächer in ausgezeichneter Form gewesen wären, wer weiß, ob der ohne Atempause zuschlagende Gastgeber nicht nur nach Punkten, sondern auch nach Toren am Schluß vorngelegen hätte! Dem Sturmspiel Dynamos wurde nicht allein durch die Indisposition Schröters die Bindung genommen. Nein, alle Dynamo-Stürmer konnten sich mit der messerscharfen Manndeckung der Weimarer einfach nicht abfinden. Wie die Kletten hingen Langbein, Lieberwirth, Schäller und Zörner an ihren Gegenspielern. Sie hatten genügend Kondition, um das während der ganzen 90 Minuten zu tun und damit Dynamos Angriffe schon im Keim zu ersticken. Becker fand zudem noch die Kraft (mit Ausnahme der letzten zehn Minuten), im Verein mit Thöne und Sonnekalb ständig das Sturmspiel aufzuziehen, allerdings fehlte vor dem Tor die Übersicht.

BSG Lok Weimar:
Schuster; Lieberwirth, Schäller, Zörner; Langbein, Becker, Jackl, Thöne; Göring, Sonnekalb, Böhnkl
SC Dynamo Berlin:
Hindenberg; Michael, Schoen, Skaba; Mühlbächer, Maschke; Heine, Schröter, Hänsicke, Legler (69 Schäffner), Matzen

Schiedsrichter:        Wutzig (Wurzen)
Zuschauer:             5.500

Günter Bonse, Neue Fußballwoche, 16.04.1957