01. Spieltag 1957: SC Dynamo Berlin - BSG Motor Dessau 5:0

Trotz Helbigs Schatten zwei Tore á konto Schröter / Laues Dessauer Stürmchen auf verlorenem Posten / Dynamo nutzte starken Wind
Weit zurück schweifen unsere Gedanken, in die Zeit, als Motor Dessau noch in der Oberliga spielte. Nicht mehr viel ist von dereinst übriggeblieben. Ein laues Lüftchen war dieses Dessau nur - so ganz im Gegensatz zu dem Wind, der über den Platz fegte, und den Dynamo so vortrefflich zu nutzen wußte. Da war aber auch gar nichts drin für die Gäste. Mittelstürmer Kersten versuchte zwar nach links auszuweichen, um nicht auf Schoen treffen zu müssen, doch er richtete dort genauso wenig aus, war, wenn wir seine Statur als Vergleich nehmen wollen, ein im Wind tanzendes Blättchen. Nur Ilsch gelang es anfangs, einige Male altes Können aufblitzen zu lassen. Auch ein gewisser Aufschwung nach der Halbzeit war zu wenig, um noch mitreden zu können. Um so mehr nahmen die Dynamo-Stürmer einschließlich beider Läufer ihre Chancen wahr.

Hänsicke ließ wiederum kaum eine Gelegenheit vorüber, um mit dem Wind aufs Tor zu knallen. Auch Moppl Schröter gelang das einige Male vortrefflich. Sein Schuß aus 25 Metern, den der Wind hoch rechts in die Ecke drückte, war ein Meisterstück. Zuvor hatte er Helbig mit einer glänzenden Körpertäuschung ausmanövriert. Und vergessen wir nicht das fünfte Tor. Halb war es schon seins. Ebenfalls aus mindestens 20 Metern wuchtete er den Ball an die Unterkante der Latte. Röschen bekam den ball nicht mehr ganz zu fassen und schon kam Hänsicke herangefegt, um den Erfolg zu vollenden. Überdies entzog sich Schröter hin und wieder seiner Sonderbewachung. - Helbig, der mit dieser schwierigen Aufgabe betraut war, fehlte also auch noch im Dessauer Sturm! - Schröters vorzüglicher Blick sorgte dann dafür, daß wieder einige Musterpässe ihren Mann erreichten.

Mit einigen Tricks und Körpertäuschungen verschaffte er sich, wenn man ihm gar zu stark auf den Fersen saß, die notwendige Luft. Nun aber noch ein Wort an Dessau. Wenn man schon mit etlichen Toren im Rückstand ist und keine Chance mehr sieht, heranzukommen, dann sollte man zumindest das Spiel fair zu Ende führen. Nach den Aussagen von Dynamo-Spielern und des Schiedsrichters haben sich einige Dessauer in beleidigenden Äußerungen gegen sie ergangen. Der Höhepunkt war zweifellos, als Eschke in der 68. Minute Schröter die Beine wegschlug, ohne daß der Ball in unmittelbarer Nähe war. Solche Unbeherrschtheiten sind kein Zeichen guter Erziehung. Wir wollen nur hoffen, daß sich das Dessauer Kollektiv in dieser Hinsicht ernsthaft mit sich selbst beschäftigt!

SC Dynamo Berlin:
Hindenberg; Michael, Schoen, Skaba; Mühlbächer, Maschke; Heine, Schröter, Hänsicke, Legler, Matzen
BSG Motor Dessau:
Röschen; Eschke, Kossack, Böhme; Hoffmann, Schulze; Klein (65. Dehne), Stiller, Kersten, Helbig, Ilsch

1:0 Matzen             ( 9.)
2:0 Legler             (16.)
3:0 Schröter           (23.)
4:0 Matzen             (35.)
5:0 Hänsicke           (58.)

Schiedsrichter:        Green (Limbach)
Zuschauer:             4.000

Götz Hering, Neue Fußballwoche, 09.04.1957