16. Spieltag 1956: BSG Lok Stendal - SC Dynamo Berlin 4:1

Brüggemann machte den nötigen Druck / Im Stendaler Sturm setzte sich jeder voll ein
Noch lag am Sonnabend ein vom Sturm gefällter mächtiger Baum über dem Zuschauerrang der Wilhelm-Helfer-Kampfbahn am Hölzchen. Herrlicher Sonnenschein lag aber am Sonntag über dem Rasen, der nicht nur Spieler und Zuschauer erwärmte, sondern auch die Stendaler Mannschaft zu einer Prachtform auflaufen ließ, wie wir sie seit der ersten Halbserie noch nicht wieder sahen. Besonders Brüggemann erfüllte in der ersten Spielhälfte das taktische Rezept der Stendaler. Er spielte sich immer wieder in den freien Raum nach vorn vor und schuf so eine heikle Szene nach der anderen. Vor dem Dynamo-Tor, zwei-. bis dreimal, hätte er sogar die Torausbeute, völlig freistehend, noch höher gestalten können.

Ihm zur Seite stand aber eine Stürmerreihe, in der sich jeder voll einsetzte und mit flachem Paß seinen Mitspieler bediente. Da fanden Thiemann und Mühlbächer kaum Zeit zum eigenen Spielaufbau. Ja, Mühlbächer griff sogar wiederholt zu unfairen Mitteln und verschuldete auch an Liebrecht den Elfmeter-Strafstoß. Keineswegs war die Einsatzfreude des Dynamo-Sturms schwach, aber die Spielanlage planlos. Aussichtsreich vergaben Holze und Pinske; auch "Moppel" Schröter - in seinem Aktionsradius von Neubauer eingeengt - verschoß aussichtsreich und war im Spielaufbau noch nicht wieder der Alte. Harmonie in der Stürmerreihe wollte sich auch in der überlegen geführten zweiten Halbzeit bei den Berlinern nicht einstellen.

Alle Aktionen waren zumeist durchsichtig. Brauchbare Vorlagen, außer von Herbert Schoen und erst zum Spielschluß von Mühlbächer, blieben sehr rar. So sehr sich auch Holze und vor allem Matzen abmühten, sie scheiterten immer wieder an der aufmerksamen Stendaler Hintermannschaft. Im gesamten Spielgeschehen wurden beide Torhüter oft vor schwierige Situationen gestellt, die sie mit prächtigen Paraden lösten. Lindner I hatte die gesamte Dynamo-Abwehr getäuscht, als er zum Durchlauf ansetzte und zu Liebrecht paßte. Dessen Schuß aus Nahdistanz parierte Klemm, aber Karlsch war zur Stelle und hob den abgeklatschten Ball zum 1:0 ins Netz.

Mit scharfem Schuß verwandelte Köhler den Elfmeter-Strafstoß unhaltbar, und schon fünf Minuten später erhöhte erneut Karlsch nach maßgerechter Vorlage mit Bombenschuß zum 3:0. Dieser Vorsprung genügte den Stendalern, aber merklich hatte der Einsatzwille in den ersten 45 Minuten an den Kräften gezehrt. Die Läuferreihe beschränkte sich jetzt auf die Abwehr, der müde gewordene Gradetzke wurde gegen Lindner II ausgewechselt. Nur Matzen gelang dennoch eine Resultatsverbesserung, als er Bergner, der gerade einen flachen Schuß von Holze abgefangen hatte, überwand: Kurz vor Spielende aber überlief Lindner I die weit aufgerückte Dynamo-Abwehr und erhöhte zum 4:1.

BSG Lok Stendal:
Bergner; Werner, Köhler, Weißkopf; Brüggemann, Neubauer; Karlsch, Lindner I, Lahutta, Gradetzke (80. Lindner II); Liebrecht
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Skaba, Schoen, Schneider; Mühlbächer, Thiemann; Holze, Schröter, Pinske, Maschke, Matzen

1:0 Karlsch            (15.)
2:0 Köhler             (31., Foulstrafstoß)
3:0 Karlsch            (36.)
3:1 Matzen             (64.)
4:1 Lindner I          (84.)

Schiedsrichter:        Paul (Dessau)
Zuschauer:             8.000

Hermann Schwieger, Neue Fußballwoche, 28.08.1956