14. Spieltag 1956: SC Aktivist Brieske-Senftenberg - SC Dynamo Berlin 3:0

Franke Dreh- und Angelpunkt / Dynamo war diesmal außer Rand und Band
Wer beim Meisterschaftsauftakt zur zweiten Halbserie in Brieske einen gehaltvollen Kampf erwartete, mußte sich bald eines Besseren belehren lassen. Dazu warteten die Gäste mit einer allzu schwachen Leistung auf. Gewiß, auch die Heimelf riß gerade keine Bäume aus, aber Einsatzbereitschaft und zuweilen schnelles Abspiel ließen doch erkennen, daß die Briesker ihren nervösen Gegner beherrschten. Ihre gesunde Kampfmoral rechtfertigte den Sieg in diesem klaren Ausmaß. Allzuleicht ließen sich die Dynamo-Stürmer von der aufmerksamen Briesker Abwehr vom Ball drängen, weil einmal keine gelungenen Kombinationen in der Fünferreihe zustande kamen und zum anderen ihnen das kraftvolle Spiel der einheimischen Deckung nicht behagte.

Lediglich Pinske, dem man in der letzten Zeit ohnehin eine gute Form nachsagte, versuchte unermüdlich, das Steuer herumzureißen. Aber auch seine Bemühungen blieben erfolglos. Das mäßige Sturmspiel Dynamos hatte aber seinen eigentlichen Ursprung in der schwachen Verfassung der Außenläufer. Besonders Thiemann besaß wenig Routine und tat für den Aufbau herzlich wenig. Mittelverteidiger Herbert Schoen hatte alle Hände voll zu tun, um mit dem schwergewichtigen Marquardt fertig zu werden. Wenn auch der Berliner wohl die meisten, oft mit allerletzter Konsequenz geführten Zweikämpfe für sich entscheiden konnte, so kommt doch dem 196 Pfund schwerem Briesker das Verdienst zu, Schoen für keine andere Aufgabe freigelassen zu haben.

Seine große Gefährlichkeit stellte Marquardt oftmals unter Beweis. Es ist immer wieder erstaunlich, wie er sich bei Flankenbällen in die Luft reckt und wohlgezielte Kopfstöße anbringt. So war sein drittes Tor, im Anschluß an einen Eckball erzielt, ein praktischer Beweis dieser Feststellung. Damit hatte die Dynamo-Elf - sie kam nach der Pause ohne Skaba wieder, ließ Heine Mittelstürmer, Thiemann halbrechts und Maschke Außenläufer spielen und schien zunächst mit dieser Umstellung auch einigen Erfolg zu haben - endgültig die Chancen zum Aufholen verloren. Marquardt muß aber davon abgehen, seinen Gegner zu umspielen. Das wirkt hölzern, kostet Zeit und ist meistens ohne Nutzen.

Wenn auch der Briesker Sieg in erster Linie auf der Gleichmäßigkeit der gesamten Mannschaft basierte, so komme ich doch nicht umhin, einen Mann besonders herauszustellen: Horst Franke. Er war es einmal mehr, der seine Stürmerkameraden immer wieder durch fein temperierte Pässe einsetzte, die Fäden in der Hand hatte und sich als geistiger Lenker des Briesker Angriffsspiels auszeichnete. Wie wertvoll Franke außerdem als Torschütze ist, unterstrich er auch durch zwei von ihm erzielte Treffer. Den ersten 25-Meter-Schuß, vom Wind urplötzlich eine andere Richtung gegeben, hätte Klemm allerdings bei besserer Reaktion und mit ausgestreckten Händen halten müssen.

Übrigens sollte Klemm mit genaueren Abstößen aufwarten. Noch über einen zweiten Briesker habe ich mich gefreut, und zwar über den kleinen Gentsch. Was der rackerte und noch für den Aufbau tat, war wirklich anerkennenswert. Auch Jünemann zeigte sich wieder von der besten Seite. Blitzschnell meisterte er einen von Thiemann plaziert getretenen Elfmeterball, als seine Mahnschaft 2:0 in Führung lag. Die Berliner hätten bei einer Verwandlung des Strafstoßes sicher mächtigen Auftrieb erhalten. Während Trainer Schober das Spiel als gut bezeichnete, schüttelte sein Kollege Petzold verständnislos den Kopf: "Es war die finsterste Leistung meiner Elf seit drei Monaten." Dynamo mußte gegen Brieske ahne den gesperrten Schröter antreten, aber auch er hätte wahrscheinlich nicht verhindern können, daß die Dynamo-Elf sofort auf die Verliererstraße geraten wäre.

SC Aktivist Brieske-Senftenberg:
Jünemann; Krüger, Ratsch, John; Gentsch, Lehmann; Pietrczak, Lemanczyk, Marquardt, Franke, Weist
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Schneider; Mühlbächer, Thiemann; Holze, Skaba (46. Heine), Pinske, Maschke, Matzen

1:0 Franke             (13.)
2:0 Franke             (30.)
3:0 Marquardt          (83.)

Schiedsrichter:        Becker (Halberstadt)
Zuschauer:             9.000

Hans-Joachim Schulze, Neue Fußballwoche, 14.08.1956