13. Spieltag 1956: SC Motor Karl-Marx-Stadt - SC Dynamo Berlin 1:0

Specks Kopfball schlug Dynamo unter Wert
Hoffentlich sagen die Karl-Marx-Städter Spieler nach diesem Treffen nicht: "Ende gut, alles gut." Es wäre falsch, denn der Sieg kann die Schwächen, die diese 90 Minuten zeigten, nicht vertuschen. Wollen wir dem SC Motor bescheinigen, daß er auf Grund seines Kampfeifers und seiner nimmermüden Abwehr den Sieg verdient hat. In gleichem Atemzuge muß aber erwähnt werden, daß Dynamo nach den gezeigten fußballerischen Leistungen mit einem, ja sogar zwei Toren Unterschied gewinnen mußte. Dynamo war also drauf und dran, bis zur 86. Minute dieses Treffen zu entscheiden, und das, obwohl ein Herbert Schoen in der Abwehr fehlte.

Mittelverteidiger Schoen verletzte sich am vergangenen Sonntag gegen CCA Bukarest und konnte diesmal nicht eingesetzt werden: Seinen Platz nahm der junge Mühlbächer ein. Seinem Eifer entsprechend zeigte er eine gute Stopperleistung, wenn er auch einige Male nicht die fehlende Routine verbergen konnte. Besonders in der ersten Halbzeit verpaßte er manchmal den Anschluß. Nur mit letzter Energie und letztem Einsatz seiner Kameraden wurden die Deckungsfehler ausgebügelt. Trotz dieser Einschränkung gehört dem früheren Meeraner die Zukunft, nur müßte man ihm einen Stammposten geben und ihn nicht als Mädchen für alles verwenden. Ich erinnere daran, daß Mühlbächers Name in der letzten Zeit in den Positionen als Außenläufer, Außenverteidiger und jetzt sogar als Mittelverteidiger zu lesen war.

Doch zurück zum Spiel selbst: Dynamo spielte den technisch besseren Ball. Spieler wie Maschke und Schröter sind am Ball sicher, ruhig und überlegt. Pinske zeigte eine sehr gute Ballkontrolle. Wenn der Berliner auch manche Ballabgabe überhastet dem Gegner vor die Beine schob, so verriet sein Spiel doch Witz und gutes Anpassungsvermögen. Unermüdlich in Stellung laufend war er immer ein bindendes Glied im Berliner Sturm. Neben diesen Technikern versuchten Holze, Matzen, Heine und später Wrobel, ihre Zügigkeit und Durchschlagskraft zur Geltung zu bringen. Es gelang nicht, das kostete die Gäste den Sieg. Das Warum ist bald erklärt: Junige und Schwerig paßten wie Luchse auf ihre Gegner auf, schalteten sich hart ein und konnten von den Berliner Außenstürmern nicht überspurtet werden, weil sie selber schnell genug waren.

Zum anderen stand Riedel wie ein Fels in der Abwehrschlacht und Haake erhechtete sich geschmeidig manchen schwierigen Ball. Außerdem versuchten die Gäste, mit hohen Flanken zum Erfolg zu kommen. Schröter und seine Nebenleute im Innensturm hätten aber bei flachen Eingaben besser schießen können. So war aber immer ein Bein oder ein Kopf der sprungkräftigen Karl-Marx-Städter Abwehrspieler dazwischen. Der SC Dynamo war so zur Erfolglosigkeit verurteilt - und der SC Motor? Dem Karl-Marx-Städter Team fehlten ein oder zwei Spieler, die ein Spiel zu machen verstehen. Schulze will eingesetzt sein, Debski ist auch mehr ein Dränger als Aufbauspieler (man sollte ihn einmal in der Mitte stürmen lassen), und Jugold verlor zuviel Zweikämpfe, um Regisseur zu sein.

Bauer und Speck wirkten sehr zerfahren, und Hirsch wußte sich bei der Ballannahme nicht zu helfen. Ein schmerzhafter Volleyschuß ins Gesicht zwang ihn frühzeitig zum Ausscheiden. So liefen also bei keinem Stürmer die Fäden zusammen. Kombinationen blieben deshalb selten, und ein schönes und technisch gefälliges Spiel blieb deshalb oft dem Zufall überlassen. A propos Technik: Kondition besitzt der SC Motor zur Genüge, immer kämpfte er bis jetzt in fast gleichem Tempo die 90 Minuten hindurch. Die Technik hinkt aber bedeutend hinterher. Es dürfte einem Oberligaspieler nicht passieren, daß ihm der Ball beim Stoppen meterweit vom Senkel rollt (Hirsch, Bauer auch Speck).

Wenn die Technik beherrscht wird, dann besitzt der Spieler auch Selbstvertrauen. Er hat die innere Ruhe zur Kombination, und über eine zweckmäßige Kombination führt der weg zum Erfolg. So gilt es bei den Karl-Marx-Städtern zu feilen und das zu stabilisieren, was manch schöner Zug ihres Spiels andeutet. Die Karl-Marx-Städter müssen genauer abspielen und vor allem immer wieder in Stellung laufen, sich anbieten, wie es z. B. auf der anderen Seite Schröter und Pinske täten. Eben bangten die Karl-Marx-Städter noch um das 0:0 und einen Punkt, eben wollte ein ewiger Pessimist wissen, jetzt schießt Dynamo sein verdientes Tor. Da brauste auf dem rechten Flügel Debski auf und davon, flankte Speck direkt auf den Kopf. Klemm stürzte vielleicht etwas frühzeitig aus dem Tor und der Ball flog plaziert ins Netz.

SC Motor Karl-Marx-Stadt:
Haake; Schwerig, Riedel, Junige; Loh, Ahnert; Schulze, Jugold, Hirsch (44. Speck), Debski, Bauer
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Mühlbächer, Haufe; Thiemann, Maschke; Holze, Schröter, Heine (62. Wrobel), Pinske, Matzen

1:0 Speck              (86.)

Schiedsrichter:        Schaub (Leipzig)
Zuschauer:             15.000

Horst Hirsch, Neue Fußballwoche, 10.07.1956