10. Spieltag 1956: SC Einheit Dresden - SC Dynamo Berlin 1:1

Pfeifer-Losert ständig auf den Fersen von Maschke-Schröter!
"In der ersten Halbzeit lief das Spiel unserer Mannschaft besser, nachher wirkte es verkrampft. Unsere Spieler ließen sich nach dem Ausgleich von Dynamo etwas aus dem Konzept bringen und verloren die zuvor eingenommene Linie." Das war in knappen Sätzen die Meinung von Hans Siegert, Trainer des SC Einheit zum Dresdener Meisterschaftskampf am Mittwoch. "Ein Sieg unserer Mannschaft war möglich. Zwar spielte Einheit in den ersten 25 Minuten stark auf, ließ aber nach der Pause nach. Unsere Stürmer haben zwei hundertprozentige Torchancen ausgelassen, deshalb mußten wir uns mit dem 1:1 begnügen." So drückte sich Helmut Petzold aus.

Die hier dargelegten Meinungen der beiden verantwortlichen Trainer bringen schon zum Ausdruck, daß das 1:1, alles in allem gesehen, den richtigen Ausgang des Dresdener Meisterschaftsspiels darstellte. Als Merkmal der ersten Dreiviertelstunde stellte sich folgendes heraus: Die Dresdener Abwehr beherrschte den Dynamo-Sturm völlig. Der Angriff des SC Einheit spielte ganz nett auf. Allein die gute Form sämtlicher Abwehrspieler der Gäste verhinderte mehr Treffer als den einen, den Arlt per Kopfball schon in der 13. Minute nach einer Flanke des nach links gewechselten Halbrechten Vogel herausholte. Wie sah das im einzelnen aus?

Im Gegensatz zum Rostocker Spiel vor 14 Tagen fand die Dynamo-Vorderreihe diesmal keine Gelegenheit, so zügig und druckvoll aufzuspielen wie seinerzeit beim 3:0-Sieg gegen den SC Empor. Das hatte eine doppelte Ursache: Einerseits ließ "Moppel" Schröter, immer noch der wichtigste Mann im Angriff der Berliner, im Gegensatz zu seinen Sturmkameraden jenen nötigen Kampfgeist vermissen, den er in den letzten Wochen und Monaten in seinem Kollektiv so oft gezeigt hatte. Auf der anderen Seite konnten sich aber auch die anderen Stürmer trotz aller Bemühungen nicht wie gewünscht durchsetzen, weil sie nämlich in ihren Gegenspielern unerbittliche Bewacher fanden.

Jeder Deckungsspieler hielt sich in unmittelbarer Nähe des ihm "zugewiesenen" gegnerischen Stürmers auf, folgte ihm bei allen Ausweichbewegungen und unterband damit von vornherein den Fluß der Kombinationen. Da Schröter in der ersten Halbzeit meist etwas zurückgezogen spielte und ihm sein "Partner" Pfeifer auch bis weit ins Mittelfeld folgte, spielten die Gastgeber sozusagen ohne einen eigentlichen Stopper. Und trotzdem klappte die Deckung vorzüglich, da jeder Abwehrspieler genügend geistige und körperliche Beweglichkeit besaß, um im richtigen Moment von der Defensive auf die Offensive oder umgekehrt umzuschalten. Somit fehlte es also auch nicht am Ballnachschub für den Dresdener Angriff.

Dieser stieß wahlweise mit Steilpässen am linken Flügel und nachfolgenden weiten Flanken des Linksaußen oder im kurzen Dreiecksspiel zwischen Fischer, Vogel und Arlt auf der rechten Seite vor. Die Deckung des SC Dynamo funktionierte kaum weniger gut als die ihrer "Kollegen von der anderen Seite", obwohl man hier nicht mit reiner Manndeckung operierte, sondern jeweils den ausweichenden Angreifer dem anderen Abwehrspieler übergab. Besonders fiel diesmal die Kaltblütigkeit des jungen Mühlbächer auf, während Herbert Schoen wie stets mit prächtigem Körpereinsatz jede Gefahr beseitigte. Zur Pause ließ Dynamo-Trainer Petzold Thiemann und Maschke die Plätze tauschen. Schröter schob sich etwas weiter nach vorn.

Die Wendung im Spielgeschehen war gegeben. So paradox es klingen mag, aber Maschke war nun als linker Läufer ein stärkerer Angriffsmotor denn zuvor als Halbrechter. Nun geriet auch Dresdens Abwehr in Not. Eine zügige Kombination zwischen Maschke, Schröter und Pinske ergab durch den völlig frei gespielten Halblinken in der 60. Minute den Ausgleich. In den letzten Minuten rüstete der SC Einheit zum Endspurt: Einen Weitschuß von Petersohn fing Schoen mit dem Kopf auf. Vogel kam nicht mehr heran. Dann zog Klemm eine Flanke des Linksaußen hart am Pfosten an sich. Als Müller, gerade eine Minute vor dem Abpfiff, in der Mitte durchbrach, wurde er von Schröter hintereinander zweimal böse gefoult.

Das war nicht fein, lieber Günter, und eines Auswahlspielers unwürdig: Nimm dir ein Beispiel an dem wieder einmal vorbildlichen Verhalten deines Mannschaftskameraden Herbert Schoen: Beim Abgang, der bei der Überfüllung des Platzes an sich schon schwierig war, sollen Spieler des SC Dynamo von den Zuschauern bedroht und teilweise tätlich angegriffen worden sein. Ebenso wie es gilt, die Übeltäter der gerechten Bestrafung zuzuführen, muß gefordert werden, in Zukunft derartige Fußballgroßveranstaltungen Dresdens im Heinz-Steyer-Stadion auszutragen!

SC Einheit Dresden:
Großstück; Albig, Pfeifer, Jochmann; Reinicke, Losert; Fischer (72. Prenzel), Vogel, Arlt, Müller, Petersohn
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Schneider (46. Michael), Schoen, Haufe; Mühlbächer, Thiemann; Holze, Maschke, Schröter, Pinske, Matzen

1:0 Arlt               (13.)
1:1

             (60.)

Schiedsrichter:        Köhler (Leipzig)
Zuschauer:             28.000

Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 03.07.1956