09. Spieltag 1956: SC Dynamo Berlin - SC Lok Leipzig 0:1

Michaels Nervosität kostete Ausgleich / Elfmetertor von Günter Busch vereitelt! / Bei Michael, Haufe ließen sich Breschen schlagen / Schnelle, intelligente Spielführung des Spitzenreiters, der auch bessere Läufer hatte
Beantworten wir gleich einen Vorwurf an Michael: er braucht sich keine grauen Haare wachsen zu lassen. Als in der 36. Minute Baumann im Strafraum den Ball mit der Hand herunterschlug, trat der Dynamo-Verteidiger zur Vollstreckung des Strafstoßes an. Seinen mittelscharf, aber zu unplaciert geschossenen Ball holte sich Günther Busch mit einem Hechtsprung aus der Luft. Gewiß, der Theorie nach müßte das der Ausgleich sein. Aber ebenso hatten es der Reihe nach Schröter, Wrobel, Matzen und einige Male Maschke in den Füßen, fast ebenso sichere Chancen zum Ausgleich und zu noch weiteren Toren auszunutzen.

Doch selbst all diese vergebenen Chancen ändern nichts daran, daß Lokomotive s p i e l e n d gesiegt, daß Dynamo, auf einigen Posten zwar heroisch kämpfend, aber nach Punkten gerecht  v e r s p i e l t hat. Chancen werden nämlich in fast jedem Spiel vergeben. Auch Lokomotive hatte Gelegenheit, mehr als ein 1:0 zu erzielen. Als Michael einmal bei einem langen Paß fast hinter der Mittellinie wie versteinert stehen blieb, und Palitzsch ihm leichtfüßig entwischte, war es auch nur der Nervosität des Stürmers zu verdanken, daß er den Ball zu guter Letzt am Tor vorbeischob. Was war aber das klar Entscheidende?

Die Leipziger Mannschaft gefiel durch schnelle, intelligente Spielführung. Ihr Sturm operierte gewitzter. Sein besonderes Arbeitsgebiet lag auf den Flügeln. Sie waren Hauptanspielpunkt und impulsgebend zugleich. Dorthin zog sich auch Krause zeitweise aus der Affäre, weil er gegen Schoen ziemlich inaktiv bleiben mußte. Indessen ließ sich bei Michael, so erbarmungslos hart er auch mitunter spielte, und noch mehr bei Haufe leichter eine Bresche schlagen. Sie waren einfach nicht schnell genug, um dem fixen Behne, Konzak vor allem, aber auch dem stets um bedachten Aufbau bemühten Fröhlich und dem sich nicht schlecht in das Quintett einfügenden flinken Palitzsch nachsteigen zu können.

Fast jeder Angriff der Lok-Mannschaft wirkte überraschender und gefährlicher, als bei Dynamo. Das gilt selbst für die offensive Schlußviertelstunde Dynamos, in der Matzen mit beispielhaftem Einsatz seine Elf mitzureißen versuchte. Von viel Witz und zügigem, leichtfüßigem Spiel war bei Dynamo nichts zu verspüren, mit Ausnahme der Anfangsminuten, die durch ihre temperamentvollen Konterangriffe auf beiden Seiten einen hoffnungsvollen Beginn darstellten. Vieles wirkte zu verkrampft, die Vorstöße zu signalisiert. Ein altes Übel brach wieder auf. Man blieb stehen, spielte dann noch den Mann an, und das auch noch inmitten einer dichten Abwehr.

Mit derartigem, viel zu eng angelegtem Spiel verdarb man sich die Chance, der jungen Lok-Abwehr das Eingreifen zu erschweren und sie ernsthaft durcheinander zu bringen. Vielleicht fehlte dem Dynamo-Angriff diesmal auch der Initiator. "Moppel" Schröter empfand wohl, daß außer Matzen keiner in der Vorderreihe war, mit dem er sich recht verstehen konnte. Hänsicke schien völlig außer Form, Wrobel war nur in den ersten Minuten aufgetaut. Maschke kann man allerdings nachrühmen, daß er der einzige war, der mehrere eindrucksvolle Schüsse auf das Lok-Tor abgab. Doch auch ihm fehlte diesmal das Verständnis für flüssiges Kombinieren.

"Moppel" versuchte sich also in Einzelaktionen durchzuwürgen, übertrieb das aber so stark, daß von vornherein kein Erfolg daraus werden konnte, und er sich dadurch nur selbst in Gefahr brachte, verletzt zu werden. Auch das war augenscheinlich: Dynamo stemmte sich bei zunehmender Zeit mit bewundernswertem Einsatz gegen die drohende Niederlage. Allein der Einsatz genügte aber nicht bei Spielern wie Schneider und Thiemann. Sie sind noch zu unerfahren, und auch Schneiders Bemühen, falschgemachtes wieder auszubügeln, kann schließlich nur zu Zerstörungsaktionen, nicht aber zu planmäßigem Aufbau führen. Lokomotive hatte also auch in der Läuferreihe ein Übergewicht.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Haufe; Schneider, Thiemann; Wrobel (66. Punt), Maschke, Hänsicke, Schröter, Matzen
SC Lok Leipzig:
G. Busch; Stieglitz, D. Busch, Brandt (65. Zenker); Polland, Baumann; Fröhlich, Palitzsch, Krause, Konzak; Behne

0:1 Palitzsch          (19.)

Schiedsrichter:        Bergmann (Hildburghausen)
Zuschauer:             5.000

Götz Hering, Neue Fußballwoche, 12.06.1956