06. Spieltag 1956: SC Dynamo Berlin - BSG Motor Zwickau 1:0

Kaisers Rückpaß Ausgangspunkt für das einzige Tor / Dynamo zog Schneider sofort zurück, lähmte damit aber die rechte Angriffsseite / Witzger in den Auswahl-Stamm!
Was mag sich wohl Kaiser gedacht haben, als er in der 85. Minute den Ball an der Mittellinie erhielt und ihn weit in den eigenen Strafraum zurückschlug? Motor-Trainer Höfer, unmittelbar neben mir postiert, sah das Unheil kommen. Linksverteidiger Oettler konnte das Leder nicht unter Kontrolle bringen, "Moppel" Schröter schaltete sich sofort ein und bediente Matzen. Nach einigem Hin und Her "murmelte" Dynamos Linksaußen das Streitobjekt zum siegbedeutenden 1:0 über die Torlinie. Beide Trainer äußerten übereinstimmend, daß es ein harter, oftmals sogar überharter Kampf gewesen sei mit vielen Verkrampfungen. Das entspricht zweifellos den Tatsachen.

Am Erfolg der Berliner Elf, dem ersten in der neuen Punktspielrunde, gibt es hingegen nichts zu deuteln! Bereits in der ersten Viertelstunde hätte Dynamo eine Entscheidung erzwingen können, wenn man nur etwas konzentrierter und besonnener gewesen wäre. In diesem Zeitraum fand der Motor-Sturm kaum Gelegenheit zu einem Gegenstoß über die Mittellinie hinaus. Aber vielbeinig meisterten die Zwickauer diesen Ansturm. Zweimal reagierte auch der junge Torhüter Baumann ganz ausgezeichnet. Allerdings wurden schon in dieser Periode viele Fehler begangen, vor allem oft ungenau und dazu auch auf engem Raum abgespielt. Dynamo zog sofort seinen Rechtsaußen Schneider weit zurück und beauftragte ihn mit der Bewachung des gefährlichen Kaiser.

Diese Maßnahme hatte aber eine wesentliche Schwächung der eigenen Angriffsreihe zur Folge. Die rechte Seite fiel vollkommen aus. Es wäre in erster Linie die Aufgabe von Wrobel gewesen, immer wieder auf die Flügel, besonders den rechten, auszubrechen. Das geschah aber nur ganz wenig. Man erkannte offensichtlich auch nicht, daß Oettler, zwar klug im Stellungsspiel und auch recht clever, doch nicht mehr allzu schnell ist. Dieses Moment nutzte der Dynamo-Sturm nicht. Neben Torhüter Baumann, der sich auch nach der Pause mehrfach bewähren mußte, gefiel der linke Läufer Witzger ausgezeichnet. Er tauschte ungefähr nach 15 Minuten seinen Platz mit Schmidt, um die Beschattung für Schröter abgeben und daher mehr Gelegenheit für offensives Spiel erhalten zu können.

Sein Arbeitspensum war enorm. Jeder Ball wurde mit Überlegung abgespielt und erreichte fast ständig den Mitspieler. In dieser Verfassung hat der Zwickauer Seitenläufer meiner Meinung nach berechtigte Aussichten, in den Stamm unserer Auswahl-Kandidaten aufgenommen zu werden. Er mußte allerdings diesmal die ganze Last der Aufbauarbeit allein tragen, denn Schmidt erreichte nicht annähernd seine Wirkung. Die Zwickauer Fünferreihe, ständig genau markiert und daher auch im Spielfluß stark eingeengt, zeigte einige nette Kombinationen. Die beiden Flügelstürmer, das ist eine bekannte Tatsache, sind neben Mittelstürmer Franz die gefährlichsten Angriffswaffen der Elf.

Besonders die kluge Einstellung des unheimlich konditionsstarken "Wirbelwindes" Kaiser soll hier erwähnt werden. Der Linksaußen zog sich bei fast jedem Abstoß bis zum eigenen Strafraum zurück und paßte den Ball dann klug zum Nebenmann. Franz zog wiederholt nach explosivem Angriff mit dem Leder davon, es geschickt gegen die Angreifer abdeckend. Da mußte Michael in der Schlußphase des Kampfes zweimal zur "Notbremse" greifen, um den Sturmlauf des Mittelstürmers abzublocken. Leider waren das nicht die einzigen Ruppigkeiten!

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael; Schoen, Haufe; Maschke, Heine; Schneider, Schröter, Wrobel, Punt, Matzen
BSG Motor Zwickau:
R. Baumann; Hertzsch; Neumerkel, Oettler; Schmidt, Witzger; Meinhold, W. Baumann, Franz, Espig, Kaiser

1:0 Matzen             (85.)

Schiedsrichter:        Schaub (Leipzig)
Zuschauer:             4.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 17.04.1956