04. Spieltag 1956: SC Fortschritt Weißenfels - SC Dynamo Berlin 1:1

Fredi Reinhardt leitete Ausgleich ein / Massierte Abwehr hielt das Unentschieden / Harter Einsatz wurde übertrieben
Erstmalig erschien die Dynamo-Mannschaft in Weißenfels. Sie wollte hier natürlich versuchen, zum ersten Punktgewinn zu kommen, zumal doch beim Osterspiel gegen die spielstarke Mannschaft von AIK Stockholm ein wichtiger internationaler Erfolg erkämpft werden konnte, der den Berlinern offensichtlich Auftrieb gegeben hat. Dennoch aber waren die Zuschauer mit der Elf nicht zufrieden, denn sie bot auch in diesem vierten Punktspiel nicht das, was man von ihr erwartet hatte, und die Pfiffe, die der Mannschaft entgegengebracht wurden, bestanden zu einem Teil zu Recht, denn man übertrieb des öfteren den körperlichen Einsatz, der leider auch nicht immer vom Schiedsrichter Müller energisch unterbunden wurde.

Jedenfalls war Fortschritt in beiden Halbzeiten die überlegene Mannschaft. Sie verstand es aber nicht, die zahlreichen sich bietenden Torchancen energisch auszunutzen, da zuviel in die Breite statt steil gespielt wurde, und die Aktionen zu umständlich wirkten. Die Überlegenheit der Weißenfelser spiegelt sich schon im Eckenverhältnis wider, das mit 12:4 klar genug ausgefallen war. Dynamo schien aber mit dem einen Punkt durchaus zufrieden zu sein und hätte, wenn die in der 61. Minute erzielte 1:0-Führung nicht mit massierter Abwehr zu halten versucht worden wäre, auch den zweiten Punkt mitgenommen. Meist waren in der eigenen Hälfte sieben bis acht, ja sogar neun Spieler zu finden, nur Matzen und Wrobel standen vorn auf einsamer Flur.

Damit war natürlich der sattelfesten Hintermannschaft Fortschritts, in der Wiesemann erneut eine gute Abwehrleistung bot, nicht beizukommen. Emsig war "Moppel" Schröter bemüht, System ins Spiel zu bringen, mußte weit zurück in die eigene Hälfte gehen und sich die Bälle holen und hatte nur mit dem später in den Sturm rückenden Maschke einen guten Mann neben sich. Diese beiden waren auch die Wegbereiter des Führungstores in der 61. Minute. Hier verlor Linksaußen Meyer im Zuspiel an Nowak den Ball an Maschke, der von der Seitenlinie Schröter anspielte. Dessen wohltemperierte Flanke kam genau auf den Kopf Matzens, der sofort zu Wrobel leitete. Mit dem Kopf stieß er am herauslaufenden Rosenheinrich vorbei ins Netz.

Dieses Tor hätte eigentlich Dynamo Auftrieb geben müssen, aber nun erwachte der Fortschritt-Kampfgeist. Unermüdlich trieb Fredi Reinhardt den Ball nach vorn. Es gab heikle Situationen vor dem Tor Heinz Klemms, der wiederholt durch Faustabwehr klären mußte. In der 83. Minute kam dann das längst fällige Ausgleichstor der Weißenfelser. Erneut hatte Fredi Reinhardt einen Paß des auf linksaußen stehenden K. Meyer erlaufen, zog nach innen. Ein Dynamo-Abwehrspieler konnte sich nur noch mit der "Notbremse" helfen. Genau an der Strafraumgrenze wurde Reinhardt zu Fall gebracht. Den Freistoß schoß er selbst in die Mitte der von neun Spielern gebildeten Mauer, aber den zurückspringenden Ball knallte Horst Meyer völlig unhaltbar ins Netz.

Jetzt hatten die Berliner bange Minuten zu überstehen, kamen kaum noch aus der eigenen Hälfte heraus und halfen sich damit, die Bälle unkonzentriert ins Aus zu schlagen. Wie unschön das für eine Spitzenmannschaft ist (und dazu gehört Dynamo noch immer), weiß man ja. Aber anders konnten sie sich des Weißenfelser Ansturms nicht mehr erwehren. Da half auch die Beschattung von Reinhardt durch den unermüdlichen Heine nicht viel, denn Reinhardt entzog sich meist durch geschicktes Ausweichen der Bewachung.

Fast das gleiche Bild sah man auf der Gegenseite, wo Schubert Schröter zu decken hatte, durch das Zurückweichen des Berliners aber selbst noch genug Zeit fand, sich ins Angriffsspiel einzuschalten und immer im rechten Moment im Mittelfeld die Aktionen Dynamos erfolgreich zu stören. Glück hatten die Gastgeber, als P. Reinhardt in der 50. Minute einen Flankenball Matzens von der Linie wegschlagen konnte, als Otto Rosenheinrich aus dem Tor herausgeeilt war. Glück hatte auch Heinz Klemm verschiedene Male, da die Fortschritt-Stürmer nicht konzentriert genug schossen aber Glück gehört nun auch zum Fußball. Das stand an diesem Tag ohne Zweifel auf der Seite der Berliner, die auf Grund der von beiden Mannschaften gezeigten Leistungen mit dem Unentschieden bestimmt zufrieden sein können.

SC Fortschritt Weißenfels:
Rosenheinrich; Reinhardt II, Wiesemann, Nowak; Schubert, Harnisch; Riemenschneider, Reinhardt I, K. Meyer, Ackermann, H. Meyer
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Bock; Maschke, Bethnarck (30. Heine); Schneider, Schröter, Wrobel, Punt, Matzen

0:1 Wrobel             (61.)
1:1 H. Meyer           (83.)

Schiedsrichter:        Müller (Plauen)
Zuschauer:             12.000

Heinz Koch, Neue Fußballwoche, 10.04.1956