02. Spieltag 1956: SC Rotation Leipzig - SC Dynamo Berlin 3:2

Dank kraftvollem Einsatz von 0:2 auf 3:2 / Krügels "Gardinenpredigt" half / Nach der Halbzeit wie umgewandelt
Würde ich meinen Bericht mit der Feststellung beginnen, daß die Leipziger Oberligabegegnung mit Fußball nichts zu tun hatte, so wäre das nicht die reine Wahrheit. Doch davon später. Fest steht auf jeden Fall, daß das Kollektiv der Schiedsrichter die Spielfläche des Bruno-Plache-Stadions am Sonntagvormittag gegen 10 Uhr einer Prüfung unterzog und deren Bespielbarkeit konstatierte. Dann ließen sich die Unparteiischen Becker, Kober und Knott erst in der dritten Nachmittagsstunde wiedersehen - und das war ihr FehIer! Mittlerweile hatte sich der Platz durch die starke Märzsonne aufgeweicht, mit Pfützen überzogen, und in dieses "Schlammbad" hinein jagte der Halberstädter Becker die 22 Akteure, obwohl Trainer und Funktionäre davon abgeraten hatten.

Ist Rotation der gelinde Vorwurf nicht zu ersparen, kaum etwas getan zu haben, um den Platz in einen spielfähigen Zustand zu versetzen, so hat Becker Schuld daran, daß das Spielfeld am Ende wie umgeackert aussah und erheblicher Schaden entstanden sein dürfte. Einen Schock für die Platzelf gab es bereits nach vier Minuten, als Klank einen Ball aus den Armen gleiten ließ und Wrobel leicht vollenden konnte. So viel Mühe sich Rotation schon vor der Pause gab, wurde doch klar deutlich, daß die Gäste in der ersten Spielhälfte das zielstrebigere und rationellere Spiel zeigten. Ihr Stellungsvermögen war ausgeprägter und ihre Spielanlage geschickter als beim Gastgeber, der seinen Hang zu unproduktiver Breitenarbeit, sein Operieren auf zu engem Raum und seine Schußunentschlossenheit (Gelegenheiten waren da!) nicht lassen wollte.

Als gar Wrobel eine Vorlage von Hänsicke ungedeckt aufnehmen (wo war Bauer?) und mit Schrägschuß prächtig verwandeln konnte, schien für die Volkspolizisten das Rennen gelaufen. Dynamo gefiel nur 45 Minuten. Hinter der Kabinentür hörte man während der Pause das "Murmeln" von Trainer Krügel. Was er seiner Mannschaft gesagt hat? Die Antwort gab diese in den zweiten 45 Minuten. Und hier komme ich darauf, daß die Leipziger Schlammbegegnung mit Fußball doch etwas zu tun hatte, daß sie zeigte, wie ein glatt im Rückstand liegendes Team trotz widrigster Bodenverhältnisse dank einem Kämpfertum ohnegleichen die gewiß nicht schlechten, ob eines solchen Energiereichtums überraschten Gäste, meist in die eigene Hälfte zurückdrückte, das Eckenverhältnis von 7:3 (zum Wechsel) auf 12:3 schraubte und es in einem Ringen voller Dramatik und Spannung tatsächlich fertigbrachte, die Deckung von Dynamo aus den Angeln zu heben.

Waren Kampf und Einsatz schon die Parole des Tages in der ersten Hälfte (mit Technik konnte man in dem Schlamm kaum etwas anfangen), so erfuhr das Spiel durch die über ungeahnte Kräfte verfügenden Rotationer noch eine Steigerung. Hempels Anschlußtor war das Signal zu einer Großoffensive, der die Gäste nur mit massierter Deckung und oft wenig konzentriertem Ballausgestoße (kein schönes Wort, aber treffend!) zu begegnen wußten. Mit prächtigem Kopfballtor erzielte der für Weidenbörner eingetretene Weigel das 2:2. Dann traf Seifert wuchtig die Latte, und als "Uller" Alt dann das schönste Tor des Tages markierte, kannte der Jubel auf den Rängen keine Grenzen.

Einen Einzelwertmesser anzulegen, wäre schon auf Grund des Schlamms abwegig. Dem Sieger gebührt für sein Kämpfertum ein Sonderlob. Schoen war mit Abstand bester Dynamo-Kämpe. ""Moppel" Schröter sagte der Boden gar nicht zu. Schiedsrichter Becker hatte sich ein Lob verdient. Er war beileibe kein Platz-Schiedsrichter und ließ sich bei seinen korrekten Entscheidungen auch durch Schreier nicht aus dem Konzept bringen. So etwas imponiert, denn die Aufgabe war schwer!

SC Rotation Leipzig:
Klank; Reichelt, Knaust, Bauer; Scherbaum, Fettke; Weidenbörner (60. Weigel), Seifert, Lembke, Hempel, Alt
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Punt; Maschke, Heine; Wrobel, Schröter, Hänsicke (78. Skaba), Schäffner, Matzen

0:1 Wrobel             ( 4.)
0:2 Wrobel             (34.)
1:2 Hempel             (59.)
2:2 Weigel             (75.)
3:2 Alt                (83.)

Schiedsrichter:        Becker (Halberstadt)
Zuschauer:             14.000

Fritz Zimmermann, Neue Fußballwoche, 20.03.1956