01. Spieltag 1956: SC Dynamo Berlin - SC Aktivist Brieske-Senftenberg 1:2

Berliner hatten schwachen Start / Überraschungserfolg der Briesker Kumpel geht vollauf in Ordnung
Ja, das bringen Meisterschaftsspiele mit sich. Das, woran vorher keiner denkt, tritt ein und eine sogenannte Überraschung ist fertig. Das Ergebnis von Berlin ist eine, denn an einen Sieg haben selbst die Briesker nicht zu hoffen gewagt. Er ist dennoch eingetroffen, und das dazu noch verdientermaßen. Es gibt glückliche Siege. Der von Berlin gehört nicht dazu. Er ist vollauf verdient, weil der SC Aktivist seine Chance nach zehn Minuten erkannte und sie dann mit aller Kampfkraft wahrnahm. Das war aber auch nicht alIzu schwierig. Der SC Dynamo begann als klarer Favorit, und so sah er zehn Minuten lang auch aus. Das Tor von Jünemann wurde belagert, und dennoch brauchte der Briesker Schlußmann kaum ernsthaft eingreifen.

Hier begann sich bereits das abzuzeichnen, was sich bis zum Schlußpfiff bestätigte. Der Dynamo-Sturm war an diesem Tage nicht in der Lage, eine Hintermannschaft aufzureißen. Da lief kaum einer in den freien Raum, was auch meist vergebens gewesen wäre, denn Paßbälle wären kaum dahin gekommen. Es war erschreckend, daß kaum eine Kombination zusammenlief. Die Flügelwaffen blieben stumpf und von Wrobel ist ja bekannt, daß er kein Mitspieler, sondern nur ein Wühler ist. So blieben alle Bemühungen Schröters fruchtlos, zumal er von Maschke keine Unterstützung bekam. Dem Herbert ging diesmal alles verquer. Der andere Läufer, Heine, hatte mit dem quirligen Lemanczyk genug zu tun.

Damit war natürlich gegen die konsequente Aktivist-Verteidigung, in der Ratsch rücksichtslos einstieg, nichts zu erreichen. Dazu kommt noch, daß der Halblinke Franke fast ausschließlich Deckungsaufgaben übernommen hatte und dabei der ruhende Pol in der Abwehr der Gäste wurde. Dafür aber stieß Weist öfter mit nach vorn. Als Aktivist nach zehn Minuten merkte, daß mit dieser Dynamo-Elf nicht viel los war, gewann es an Selbstvertrauen und fing selbst an, nach vorn zu stoßen. Diese Angriffe brachten dann mehr Gefahr, als die der Berliner, weil sich auch in der Dynamo-Deckung unerwartete Schwächen bemerkbar machten. Die einzigen Ausnahmen bildeten Michael und Klemm. Selbst der sonst so souveräne Herbert Schoen erwies sich zögernd und war unsicher im Stellungsspiel.

Er war deshalb auch die Ursache des ersten Tores. Dieses Tor näher zu beschreiben lohnt sich, weil man solche Treffer nicht alle Tage sieht. Durch zu zaghaften Einsatz Schoens erzwang Brieske einen Eckball, den der ballgewandte, aber körperlich zu schwache Redlich an die Strafraumgrenze schickte, wo ihn Lemanczyk mit Fallrückzieher vor das Tor zog und Marquardt im Sprung den Ball mit dem Kopf ins Netz setzte. Dieser kraftvolle, schnelle, allerdings noch unbeholfene Nachwuchsmittelstürmer bereitete auch den zweiten Treffer vor. Blitzschnell erkannte er die günstige Position von Lemanczyk, der dann auch nicht lange fackelte und Klemm mit Bombenschuß überwand. Als Lothar Green die zweite Halbzeit angepfiffen hatte, glückte Matzen nach Flanke von Schröter der Anschlußtreffer.

Wer nun geglaubt hat, daß sich damit auch eine Änderung anbahnen würde, sah sich bald getäuscht. Trotz des Vorteils des stürmischen Windes, trotz der nun folgenden Angriffswelle auf Angriffswelle, war bald zu spüren, daß diesmal für Dynamo nichts zu wollen war. Aktivist riegelte den eigenen Strafraum ab, hatte nur noch zwei Mann vorn, die trotzdem gefährlich blieben. So konnten die Briesker glückstrahlend zwei Punkte mit nach Hause nehmen, die sie schon abgestrichen hatten. Sie verdanken das ihrer größeren Schnelligkeit und ihrem Kampfgeist, aber auch der schwachen Verfassung der Berliner, die sich diesen Gang wahrscheinlich zu leicht vorgestellt hatten und deshalb nicht die richtige Einstellung mit auf den Platz brachten.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Bock; Maschke, Heine; Holze (73. Pinske), Schröter, Wrobel, Skaba, Matzen
SC Aktivist Brieske-Senftenberg:
Jünemann; Krüger, Ratsch, John; Weist, Schurrmann; Pietrezak (73. Gronau), Lemanczyk, Marquardt, Franke, Redlich

0:1 Marquardt          (28.)
0:2 Lemanczyk          (43.)
1:2 Matzen             (46.)

Schiedsrichter:        Green (Limbach)
Zuschauer:             7.000

Rolf Gabriel, Neue Fußballwoche, 13.03.1956