02. Spieltag 1955: SC Dynamo Berlin - SC Rotation Leipzig 2:1

Schröter: Tricks und Einsatz, Einsatz, Einsatz! / In dieser Verfassung gehört "Moppl" zu Deutschlands besten Stürmern! / Haudegen Knaust!
Ein klar verdienter Sieg der Berliner Volkspolizisten. Diese Feststellung ist nach dem Briesker 4:0 an sich keine Überraschung. Aber die Berliner Fußballfreunde, die erstmalig zu einem Punktetreffen des SC Dynamo nach der Steffenstraße in Hohenschönhausen hinausgewandert sind (schlechte Verkehrsverbindung und noch mangelhafte Unterstützung durch die BVG!), konnten sich von dem stetigen Leistungsaufschwung der Elf um "Moppl" Schröter überzeugen. Der Schock nach dem denkwürdigen 0:7 gegen Gwardia Warschau ist endgültig überwunden. Und das ist umso erstaunlicher, als Dynamo auf so wichtige Kräfte wie Schoen, Usemann, Matzen und Hänsicke sowie auf den hoffnungsvollen Verteidiger Punt Verzicht leisten mußte, da sie alle verletzt sind. Aber einige junge Kräfte haben sich so weit entwickelt, daß sie bedenkenlos eingesetzt werden können, wenn es die Situation erforderlich macht.

Da möchte ich in erster Linie den jungen Heine nennen. Der neben mir sitzende Usemann schwärmte geradezu von seiner beidbeinigen Schlagsicherheit. Wie kaltblütig spielt er jetzt schon! Schnell ist Heine dazu überdies auch , fast mühelos und in wunderbar lockerem Lauf erspurtete er sich manchen Ball gegen die geschickten Rotation-Stürmer. Freilich fehlt ihm noch eine Portion Erfahrung, aber die wird im Laufe der Zeit sicherlich noch dazukommen. Ein starkes Talent! Auch der linke Läufer Scheffner machte keine schlechte Figur. Er erledigte brav sein Pensum, deckte genau und spritzte äußerst aufmerksam in die gegnerischen Angriffe. Eine so feine Klinge wie Usemann versteht er freilich noch nicht zu schlagen. Und da wäre noch Stang zu erwähnen. Er hatte einige verheißungsvolle Szenen, aber dem Linksaußen fehlt es noch an der richtigen Ballruhe und Konzentration. Er und der auffallend blaß bleibende Holze vergaben einige Chancen, die eine Erklärung dafür sind, daß der SC Dynamo nur zwei Tore erzielte.

Gespielt hat die Mannschaft in dem überaus temposcharfen und niveaureichen Treffen sehr verheißungsvoll und mit klar erkennbaren Ansätzen zu moderner Kombinationsanlage. Es bleibt aber unzweifelhaft das Verdienst des großartigen Günther Schröter, wenn die Dynamo-Elf so eindrucksvoll auftrumpfte. Welch ein großartiger Könner der Halbrechte ist, zeigte er mit unzähligen gelungenen Tricks und auch in zweckvoller Ballarbeit. Mit einer einzigen Aktion ließ er zuweilen zwei, drei Gegner stehen und zog in unwiderstehlichem Dribbling davon. Dabei war "Moppl" Schröter von einem Kampfeseifer besessen, wie wir es lange nicht mehr bei ihm sahen. Neben seiner brillanten Technik bestach er durch unermüdlichen Einsatz und Härte. "Eine Leistung aus der alten Kiste", wie Gerhard Hänsicke sehr richtig am Schluß bemerkte. In dieser Verfassung gehört Schröter zu den besten deutschen Stürmern!!

Wir setzen auf ihn viele unserer Hoffnungen für ein erfolgreiches Abschneiden im Länderkampf gegen Rumänien , in dem der kleine Halbrechte ebensoviel Schneid und unermüdliches Kämpfertum zeigen möge wie in dem Punktetreffen gegen den SC Rotation. Vergessen darf man in diesem Zusammenhang auch nicht den jungen Pinske, der immer mehr in die Rolle des ausgeschiedenen Rudi Möbius hineinwächst. Er bildete die zweite Triebfeder im Dynamo-Angriff, in dem Mittelstürmer Wrobel nicht ganz überzeugte, aber nach glänzender Vorarbeit von Pinske ein für ihn typisches Tor erzielte. Schröters Führungstreffer war freilich noch eindrucksvoller. Nach einer unglücklichen Rückgabe von Schorr, der wie zur Salzsäule erstarrte, hob Schröter mit der Spitze den kräftig springenden Ball über Pröhl ins Netz. Die Entfernung zum Tor, der herauslaufende Schlußmann und das auftippende Leder erforderten sehr viel technisches Geschick, Schröter bewies es auch in diesem Fall.

Gegen einen so gutaufgelegten Gegner hat der SC Rotation Leipzig eine überraschend starke Partie geboten. In Teilstrecken der ersten Halbzeit war er sogar mehr als gleichwertig. Unter der geschickten Regie der Routiniers Matthäus und Hempel kombinierte der Angriff sehr gefällig, aber es fehlt ihm ein kompromißloser Vollstrecker, wie er etwa in Weidenbörner vorhanden ist, der wegen Verletzung aussetzen muß. Die gefährlichen Hofmann und Lembke fanden in Bock und Haufe ihre Meister, so daß der Rotation-Angriff trotz vieler verheißungsvoller Vorstöße im großen und ganzen stumpf blieb. Dafür stellten die Messestädter eine Abwehr und Läuferreihe, die für unsere Verhältnisse Klasse ist. Wie viele Male der athletische Knaust die Situation bereinigte, ist beileibe nicht mehr festzustellen, wie aufopferungsvoll Pfeifer und Fettke immer wieder das Mittelfeld überbrückten, muß gelobt werden. Dann fiel uns noch ein starkes Talent in den hinteren Reihen der Leipziger auf: der rechte Verteidiger Bauer, der es in der Schnelligkeit mit jedem rasanten Flügelstürmer aufnehmen kann!

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Haufe, Heine, Bock; Maschke, Scheffner; Holze, Schröter, Wrobel, Pinske, Stang
SC Rotation Leipzig:
Pröhl; Bauer, Knaust, Schorr; Pfeifer, Fettke; Hofmann, Seifert (82. Teidke), Hempel, Matthäus, Lembke

1:0 Schröter           (57.)
1:1 Hempel             (61., Handstrafstoß)
2:1 Wrobel             (72.)

Schiedsrichter:        Neumann (Forst)
Zuschauer:             4.000

H. Müller, Neue Fußballwoche, 06.09.1955