24. Spieltag 1954/55: SC Dynamo Berlin - SC Einheit Dresden 2:4

Als Arlt dreimal ins Schmatze traf verlor Dynamos Spiel den Faden / Offensivspiel war die Devise
Weit über zehntausend Zuschauer fanden bei herrlichem Frühlingswetter den Weg in das Berliner Walter-Ulbricht-Stadion, um Zeugen eines Treffens zu sein, das - wenn sich auch Dynamo im Laufe der Spielzeit mehr und mehr im Durchschnittlichen verlor - viele Klassemerkmale aufwies. Hier standen sich zwei Mannschaften gegenüber, deren Ergebnisse, erzielt auf Grund konsequenten Offensivspiels, in den letzten Wochen aufhorchen ließen. Auch in diesem Spiel gab es keine der sattsam bekannten Riegeltaktiken usw. zu sehen. Jede Mannschaft setzte ihre gesamte Spielanlage auf Angriff und verzichtete auf jegliche Maßnahme, die eventuell das Halten des Ergebnisses zur Grundlage hätte haben können. Das Spiel hatte seine größten Höhepunkte in den ersten dreißig Minuten, als sowohl Dynamo als auch Einheit zu ihren besten Leistungen aufliefen. Kaum hatten die Gäste einen Angriff der Berliner abgewehrt, dann brannte es schon lichterloh im Dynamo-Strafraum. Immer wieder wechselten die Spielszenen.

Doch schon in den Anfangsminuten wurde das überlegenere, weil zwingendere Angriffsspiel der Gäste offenbar. Sie übertrieben nicht das Halten des Balles, sie kämpften einsatzfreudiger und hatten vor allem den Vorteil, im Sturm mit Arlt eine Stoßkraft zu haben, die von Dynamos Verteidigung nicht zu halten war. Schnelligkeit, athletische Kraft und Schußstärke gaben seinem Spiel das Gepräge. Erwähnenswert besonders der dritte Treffer, als er einen Flankenball von links im Hechtsprung aufs Tor köpfte, Klemm wehrte ab, doch schon wieder war Arlt da und schoß den Ball endgültig ins Tor. Seinen beiden ersten Treffern gingen zwei vorbildliche Pässe von Pfeifer und Vogel voraus. Weit aus der Tiefe heraus kam das Leder, einmal flach, zum andern Male halbhoch gespielt, zu dem in Stellung laufenden Arlt. Diese Szenen hätten für Dynamo beispielgebend sein können. Die Berliner scheiterten, weil die von Trainer Petzold für seine Halbstürmer gegebene Devise, voll stürmen, um die Abwehrschwäche der gegnerischen Seitenläufer auszunutzen, fehlschlug.

Die Ursache hierfür lag einmal an der schwachen Form von Möbius, aber insbesondere an der Tatsache, daß die Dresdener Läufer sich ganz dem Aufbauspiel widmeten. Wie sie ihren Angriff in Szene setzten, das war sehenswert. Vor allem Nicklich zeigte endlich einmal, was in ihm steckt. Mit dem Ball am Fuß drang er oft gefährlich in den Strafraum der Gastgeber. Trotzdem muß die Stärke der Dynamo-Fünferreihe vor der Pause erwähnt werden, als Schlosser eine Eingabe von links an die Latte köpfte, und kurz zuvor Holze Ritter überspielt hatte und das Leder an die Latte knallte - schon beim Stande von 0:1 verwandelte Schröter einen Flankenball von der rechten Seite aus der Luft. Das war eine technische Meisterleistung! Nach der Pause erreichte das Spiel nicht mehr das Niveau der ersten Halbzeit. Beide Mannschaften mußten dem schnellen Tempo Tribut zollen. Auch jetzt noch hielt Dynamo im Feldspiel mit, aber die spielerische Linie war vollends verlorengegangen.

Möbius und vor allem Holze steigerten sich immer mehr ins Negative. Was nützten die technische Perfektion und die Rochaden von Schröter, Matzen und Schlosser, es fehlte der zündende Funke, die Aktionen atmeten nicht das Bestechende der Dresdener. Jederzeit waren vor allem Legler und auch Jochmann in der Hintermannschaft auf der Höhe. Schon in der ersten Halbzeit war das Zurückgezogene Spiel von Vogel bei gegnerischen Angriffen zu merken; auch jetzt zeigte dieser Halbrechte mit seinem ziehharmonikaähnlichen Spiel die Nützlichkeit dieser taktischen Maßnahme. übrigens eine vorbildliche Konditionsleistung. Erst in der letzten Spielminute kamen die Gastgeber zu ihrem zweiten Treffer, als es schließlich Mittelverteidiger Schoen zu bunt wurde, er sich mit Schlosser durchspielte und aus 30 Meter den Ball ins obere Eck des gegnerischen Tores knallte. Damit krönte Schoen seine gute Abwehrarbeit mit einer sehr guten Leistung.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Haufe, Schoen, Bock; Maschke, Usemann; Holze, Schröter, Schlosser, Möbius, Matzen
SC Einheit Dresden:
Ritter; Albig, Legler, Jochmann; Nicklich, Pfeifer; Arlt, Vogel, Prenzel, Müller, Peterson

0:1 Arlt               ( 5.)
1:1 Schröter           (14.)
1:2 Arlt               (25.)
1:3 Arlt               (43.)
1:4 Jochmann           (60., Foulstrafstoß)
2:4 Schoen             (90.)

Schiedsrichter:        Neumann (Forst)
Zuschauer:             12.000

Heinrich Müller, Neue Fußballwoche, 29.11.1955