17. Spieltag 1954/55: BSG Fortschritt Meerane - SC Dynamo Berlin 1:0

Fischer nutzte Schoens Fehler zum Sieg / Abwehr der Meeraner auch ohne Baumgart eisern / Mit Michael und Bock
Wir können Trainer Petzold und sein faires Kollektiv verstehen, wenn sie nach dem Schlußpfiff enttäuscht vom Platz gingen; denn schlecht waren ihre Leistungen im Felde nicht. Man sah gutes, schnelles und direktes Abspiel, doch eines fehlte - sich gegen eine konsequent deckende Meeraner Abwehr durchzusetzen. Obwohl die Fortschritt-Elf ohne den erfahrenen Verteidiger Baumgart antreten mußte (er hat sich beim Training den Mittelfußknochen gebrochen), stand diese Deckung über Erwarten gut, weil Reservemann Wohlfahrt seine fehlende Erfahrung durch Ruhe und Kampfgeist ausglich und somit nicht abfiel. Diese Abwehrreihe ließ Könnern wie Matzen, Schröter und Holze - besonders nach der Pause - keinen Meter Raum. Recht gut fügten sich Pinske und Hofmann ein, aber auch hier fehlte es genau wie bei Wohlfahrt an Erfahrung. Besonderen Eindruck hat Dynamo vor der Pause gemacht.

Da sah man Züge, die zum modernen Fußball gehören. Ganz anders nach dem Wechsel, als man auf der mit Wasserlachen überzogenen Seite stürmen mußte. Jetzt konnte Dynamo nicht mehr nur mit Berechnung die Kombinationen aufziehen; hier mußte auch Kampfgeist entscheiden. Den zeigten wohl beide Mannschaften, in der Entschlossenheit aber waren die Spieler um Trainer Haueisen um eine Kleinigkeit stärker. Nicht allein, weil für sie das Siegestor gefallen ist, nein, weil Meerane über weite Strecken der zweiten Halbzeit überlegen war. Um Erfolge zu erzielen, fehlte aber auch in der Meeraner Sturmreihe ein Vollstrecker, und auch der Dirigent Flemig stand immer noch außerhalb der Barriere. Viele gut eingeleitete Angriffe blieben ungenutzt. Wie oft wurde der Ball dem Gegner in die Füße gespielt und die Angriffe zu eng angelegt. So konnte man Dynamos Abwehr nicht überwinden.

Nur wenige Steildurchbrüche wurden angesetzt, weil auf dem tückischen Boden auch diese Angriffsart nicht allein den Erfolg garantierte. Bezeichnend jedoch, daß gerade aus einer dieser Steilvorlagen Wagners die Entscheidung fiel. Herbert Schoen, ein Stopper, der seine Abwehr sicher organisierte und jederzeit Herr der Lage war, verpaßte diesen Steilpaß, und schon war es geschehen. Der mitgelaufene Fischer nahm das Leder geschickt auf, dribbelte noch einige Schritte und schoß gekonnt am herausstürzenden Klemm vorbei ins Netz. Dynamos Läuferpaar kurbelte zwar immer wieder den Sturm an, auch ihr Zuspiel war sehr genau, doch am Strafraum blieb der gefürchtete Dynamo-Angriff fast immer hängen. Engelmann hatte ebenfalls mit seinen Nebenleuten die richtige Einstellung zum Gegner gefunden. So war es kein Wunder, wenn beide Abwehrreihen über der Situation standen. Kraitzek war besonders gut aufgelegt.

Er tauchte sogar in der 76. Minute bei einem Eckball im Strafraum des Gegners auf und hätte bald schon vorher den Siegestreffer erzielt, doch Klemms Parade vereitelte ihn zunächst. Erwähnen müssen wir unbedingt die große Abwehrleistung Löschners in der Schlußminute, als Dynamo die wohl größte Chance im Spiel hatte; der freigelaufene Scheffler ließ aus 18 Metern einen tollen Schuß los, Löschner reagierte blitzartig und holte das Leder aus der bedrohten Ecke. Eine genaue Beurteilung der Leistungen ist schwer. Der Kampfstärkere gewann nicht unverdient über den technisch besseren Gegner, wir sprachen kurz nach dem Spiel mit beiden Trainern. Helmut Petzold lobte die faire Spielweise beider Mannschaften, und Meeranes Trainer war glücklich, daß der große Kampfeinsatz seiner Männer mit diesem Sieg belohnt wurde, da seine Elf trotz der Mißgeschicke und der schlechten Lage ungebrochen weiterkämpft.

BSG Fortschritt Meerane:
Löschner; Wohlfahrt, Engelmann, Kraitzek; Thate, Czaja; Lichtenstein; Fischer, Starke (70. Viehweg), Wagner, Riedel
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Bock; Scheffler, Maschke; Holze, Schröter, Hofmann, Pinske, Matzen

1:0 Fischer            (83.)

Schiedsrichter:        Paul (Dessau)
Zuschauer:             11.000

Helmut Wauer, Neue Fußballwoche, 22.02.1955