14. Spieltag 1954/55: SC Rotation Leipzig - SC Dynamo Berlin 5:1

Herbert Schoen verhinderte Katastrophe / Dynamo-Deckung überraschend schwach / Hempel dirigierte den Angriff
"Obwohl wir noch in der Umstellung begriffen sind, der Mannschaft dadurch die notwendige Geschlossenheit fehlt und obendrein die Stammspieler Klemm, Kreische und Hänsicke wegen Verletzung oder Krankheit pausieren müssen, habe ich meiner Elf die Direktive gegeben, vom Angriffsspiel nicht abzugehen", so sagt uns Trainer Petzold vor Spielbeginn im Kabinengang. Diese löbliche Absicht konnten die Gäste aber im Leipziger Südost-Stadion, dessen Spielfläche sich in überraschend guter Verfassung befand, während der 90 Minuten nur zweimal verwirklichen. Etwa von der 10. bis zur 20. und dann noch einmal von der 60. bis zur 70. Minute boten die Berliner das Können im Angriff, wie man es "in guten Zeiten" von der Dynamo-Elf gewöhnt war. Da lief das Leder, und "Moppel" Schröter, der manchmal zu egoistische Holze und der unermüdliche Wühler Matzen heizten der Rotation-Abwehr in diesen Zeitspannen ziemlich ein.

Was mehrere Male besonders ins Auge fiel, war die geschickte Art, mit der sich zwei Stürmer bei Kampfszenen im Strafraum knapp außerhalb desselben postierten, dort ungedeckt blieben und durch ihre Schüsse aus dem Hinterhalt für stete Gefahr sorgten. Das war aber auch das einzige Positive, was es vorn Dynamo-Angriffsquintett zu berichten gibt, das in den "Luftholpausen" der Gastgeber dank des Einsatzes der genannten drei Stammspieler zwar gut aufspielte, sonst aber weit unter dem Durchschnitt blieb. Der Grund für die, im ganzen gesehen, Bescheidenen Leistungen dürfte ohne Zweifel daran liegen, daß die Neulinge Hofmann und Pinske, die bestimmt veranlagt sind, im Dynamo-Angriff noch als "Fremdkörper" wirken. Ihnen fehlt es noch an Oberligareife, an Härte und auch an Schußvermögen. Von heute auf morgen lassen sich diese Faktoren natürlich nicht anerziehen. Wie konnte es aber bei der sonst so tüchtigen Dynamo-Abwehr zu einer so hohen Niederlage kommen?

Das ist schnell erklärt. Die großartig in Form befindlichen Rotation-Stürmer erhielten in der Deckung der Berliner einen unerwarteten Bundesgenossen. War das eine Hilflosigkeit, ein Durcheinander, ein Ouer- und Ausgeschlage der Bock, Michael, Maschke und Scheffler! Selten wir fanden sie die richtige Einstellung zum Gegner, selten deckten sie konsequent, und ebenso selten brachten sie den Ball an den richtigen Mann. Besonders schwach war Bock, der überhaupt nicht zurechtkam. Wäre nicht Herbert Schoen so gut auf dem Posten gewesen, es hätte zu einer Katastrophe kommen können. An Schoens Stellungsvermögen und Standfestigkeit prallten viele gegnerische Angriffe ab. Keine Schuld an der hohen Niederlage triff den Torwart Marciniak, dem man aber noch schnelleres Reaktionsvermögen wünschen möchte. Zur Freude der Zuschauer präsentierte sich die Leipziger Rotation-Elf, wie schon eine Woche vorher gegen Rotation Babelsberg, wieder in augezeichneter Verfassung.

Die gesamte Mannschaft war von einem prächtigen Kampfeswillen und einer Einsatzfreude ohnegleichen beseelt. Damit aber nicht genug! Auch das technische und taktische Rüstzeug, mit der sich die Elf an ihre Aufgaben machte, war von solider Art. Das gilt besonders vom Angriff, der diesen Namen wirklich verdiente, ob seiner spritzigen und gefälligen Art, mit der er seine Kombinationen anlegte und mit herzhaften Schüssen abschloß . Dabei fehlte mit "Matz" Matthäus noch der in den letzten Spielen so hervorragende Spielmacher (er hatte sich beim Training am Donnerstag verletzt). SC Rotation ist aber in der glücklichen Lage, mit Roland Hempel einen großartigen Angriffsdirigenten "auf Lager" zu haben. Er führte aus rückwärtiger Postion so fein Regie, daß es eine Lust war, zuzuschauen, wie seine Steil- und Querpässe immer wieder an den Mann kamen. Geschickt gingen dieses Mal alle seine Nebenleute, der wieder sein altes Können besitzende Alt, der schon bald nach Beginn artgeschlagene Seifert, der schnelle Weidenbörner und der sich erfreulich gut ins Kombinationssystem einfügende Lembke, auf seih Ideen ein.

So mußten einfach Tore fallen. Hempel war es selbst, der durch Verwandlung der 3. Ecke (Gesamtverhältnis 8:3) das Signal zum Toremachen gab. Die sich anreihenden vier Treffer konnten sich alle sehen lassen: Gediegene Kombinationen wurden mit gut gezielten Schüssen abgeschlossen. Die hinteren Reihen des Siegers wurden zwar auf keine allzu schwere Probe gestellt, doch kann verzeichnet werden, daß sie ihre Arbeit außerordentlich zuverlässig erledigten. Das gilt sowohl für den blitzschnell eingreifenden Pröhl, für den souverän den Strafraum beherrschenden Knaust, als auch für den sich wieder gut in die "Oberligaluft" hineinfindenden Rybarczyk, für Schorr, Fettke und Pfeifer. Alles in allem, eine sehr gute Leistung des Leipziger Kollektivs, das einen bekannten Gegner eindrucksvoll schlug. Dieser fügte sich mit Anstand in die verdiente Niederlage. Bliebe noch zu erwähnen, daß der Plauener Müller, von einigen Fehlern abgesehen (dem dritten Tor ging ein Foul von Rotation voraus), die Partie gut zu Ende brachte, daß das Reservespiel ausfiel und daß im Vorspiel die DDR-Jugendauswahl gegen den Bezirk Leipzig (Jugend) 4:1 (3:1) gewann.

SC Rotation Leipzig:
Pröhl; Rybarczyk, Knaust, Schorr; Pfeiffer, Fettke; Weidenbörner, Seifen (ab 75. .Bauer), Lembke, Hempel, Alt
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Haufe Bethnarek, Usemann; Kreische, Maschke; Schlosser, Schröter, Hänsicke (50. Duffke), Möbius, Matzen

1:0 Hempel             (24.)
2:0 Alt                (36.)
3:0 Alt                (48.)
4:0 Weidenbörner       (56.)
4:1 Schröter           (67.)
5:1 Lembke             (74.)

Schiedsrichter:        Müller (Plauen)
Zuschauer:             15.000

Fritz Zimmermann, Neue Fußballwoche, 08.02.1955