Europacup der Pokalsieger 1989/90 - 1. Runde Rückspiel: BFC Dynamo - FC Knattspyrnufel Valur Reykjavik 2:1

Leider wurde viel Kredit verspielt
Wenn eine DDR-Vertretung im Europapokal, und sei es die erste Runde, zweimal den Platz als Sieger verläßt, dann sollte dies eigentlich der Anlaß sein, sich ausgiebig zu freuen. Im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark hielt sich die Begeisterung ob des Erfolges des Gastgebers in bescheidenen Grenzen, und es ist sicherlich angebracht, darüber ein paar Worte zu verlieren. Zum einen war dies für den BFC eine Chance, nach den bisher wenig mitreißenden Punktspielen seine Stammzuschauer wieder hinter sich zu bringen. Sie wurde ausgelassen. Zum zweiten - in den Reihen der Weinroten steht eine ganze Reihe von Auswahlspielern, die sich in einem solchen internationalen Vergleich eigentlich den Schwung holen müßten, mit dem sie dann die Aufgaben in der WM-Qualifikation gegen die UdSSR angehen. Vielleicht sind dies aber auch Gedankengänge, die zu weit hergeholt sind.

Die Beobachter der Szenerie wurde jedenfalls den Eindruck nicht los, daß mit dieser phasenweise "blutarmen" Partie eine Menge Kredit vergeben wurde. Valur, dies muß man sich doch vor Augen halten, ist bei allen kämpferischen Qualitäten letztlich eine Mannschaft, die nicht einmal europäisches Mittelmaß verkörpert. Um ein Detail zu nennen - die einzige taktische Variante der Gäste, eine Variante war so gesehen also gar nicht, bestand darin, das Leder dem Rechtsverteidiger Saevar Jonsson zuzuspielen. Der Auswahlkapitän, von hünenhafter Gestalt, schlug dann mit Urgewalt gegen den ball, der danach 50, 60 Meter weiter mit Sicherheit auf einen BFC-Kopf fiel. Die beiden Spitzen, Laurus Gudmundsson und Kristjansson, waren zwar pausenlos unterwegs, den Ball erhielten sie aus oben angeführtem Grund nur höchst selten.

Hausbacken auch das Abwehrverhalten Valurs, zumal die BFC-Akteure ihren Kontrahenten in der Beweglichkeit, in der Grundschnelligkeit deutlich überlegen waren. Tut sich die Frage auf, warum die Berliner im ersten Durchgang lediglich mit einer Spitze antraten (Anders), der noch dazu ein Mann ist, dessen technische Probleme unübersehbar sind. Klarer ausgedrückt, er war an diesem Abend nicht in der Lage, das Leder einmal zu halten, zu warten, bis Doll und Thom nachgerückt waren. Was blieb, war ein leicht hektisch wirkendes Auf und Ab, der Gastgeber fand im Grunde genommen niemals seinen Rhythmus. Es spricht für BFC-Trainer Helmut Jäschke, daß er diesen Schwachpunkt nicht nur erkannte (er korrigierte ihn, indem er nach dem Wechsel Thom und Doll nach vorn zog), er gab diesen Fehlgriff in die Taktik-Kiste auch zu. Spätestens an dieser Stelle aber sind wir wieder beim bevorstehenden WM-Qualifikationsspiel.

Doll und Thom sind aufgrund ihrer technischen Fertigkeiten Spieler, die man ja bekanntlich mit der Lupe suchen muß, jedenfalls in unseren Breiten, die im gegnerischen Strafraum auf engstem Raum etwas "losmachen" können. Da wo sie in langen Phasen am vergangenen Mittwoch spielten, bleiben sie weitgehend ungefährlich. Zudem Ernst und Bonan, die "gelernten" Mittelfeldspieler, wurden durch diesen taktischen Kunstgriff offenbar so verunsichert, daß beide erheblich unter Bestform blieben. Bonan war eigentlich gar nicht zu sehen. Dies zu beschreiben, heißt nun nicht, etwa zu verkennen, daß der BFC dennoch die überlegene Mannschaft war, sich Chancen erspielte, die normalerweise für zwei Spiele reichen. Bezeichnend, daß Lenz ob seines sieben Minuten vor ultimo erzielten Treffers von seinen Mitspielern stürmisch gedrückt wurde. Ihm gelang, womit die sogenannten Leistungsträger zuvor ein halbes Dutzend Mal scheiterten...

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Reich, Ksienzyk, Herzog, Köller (37. Lenz); Ernst, Bonan, Thom, Doll; Anders (77. Küttner)
Valur Reykjavik:
Sigurdsson; Thrainsson; Jonsson, Tomasson; Askelsson, Baldursson, Adolfsson; Petursson, I. Gudmundsson; L. Gudmundsson (84. Bogasson), Kristjansson

1:0 Ernst              (23.)
1:1 Kristjansson       (51.)
2:1 Lenz               (83.)

Schiedsrichter:        Daamgard (Dänemark)
Zuschauer:             9.500


Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 03.10.1989