Europacup der Pokalsieger 1989/90 - 1. Runde Hinspiel: FC Knattspyrnufel Valur Reykjavik - BFC Dynamo 1:2

Traf wieder: Andreas Thom
Das "Morgenbladid", Reykjavik, warnte in seiner Ausgabe des Spieltages ausdrücklich vor dem "Island-Schreck" Andreas Thom. "Vorsicht, Valur! Der Klassestürmer schoß in den letzten vier Länderspielen gegen Island von insgesamt 13 Toren allein sechs!" Dem trug auch der neue Trainer, der 33jährige ehemalige Nationalspieler Gundumur Thorbjörnsson (37 A), der ja erst das dritte Mal auf der Bank saß und die erste Niederlage hinnehmen mußte, Rechnung. Eingedenk der Klasse, der Schnelligkeit von Thom und Doll, schwor er seine Mannen auf eine von Respekt gekennzeichnete Defensivhaltung ein. Dabei hielt sich die Abwehr, vielbeinig, jedoch nicht auf Manndeckung orientiert, ausgesprochen bedeckt und verstellte aufmerksam, hingebungsvoll agierend die Räume. Dirigiert von Libero Thrainsson und Auswahlspieler S. Jonsson.

Auf dieser Taktik basierte das Spiel der Platzherren, die ihr Heil nach vorn in schnellen, unkomplizierten Zügen suchten. Und Erfolg damit hatten! Nach Vorarbeit von Bragason am linken Flügel (Ksienzyk ließ sich zu leicht düpieren) köpfte der im Zentrum freistehende Askelsson (wo war Schulz?) dessen Eingabe unerreichbar für Rudwaleit in die rechte Ecke. "Damit nutzten wir unsere erste, aber leider auch einzige Chance. Und auf Dauer, da uns die Kräfte schwanden, hielten wir auch unser Konzept nicht durch. Dadurch wurde der Weg frei für Thom", urteilte Gundumur Thorbjörnsson. Erstaunlich jedoch, welche Anlaufprobleme der BFC hatte, der nach 18jähriger Pause erstmals wieder seine Visitenkarte im Cup der Pokalsieger abgab. Dabei bezog sich das weniger auf die Abwehr, die letztlich dem Kontrahenten nur eine Chance, nach der Pause gar nur einen Torschuß (!) gestattete.

Aber im Spiel nach vorn, wo die Gäste anfangs keine Räume fanden, "quälten wir uns in der ersten Phase förmlich über die Zeit", bekannte Rainer Ernst. Er selbst, mit Licht wie Schatten, bekam das Spiel nicht in den Griff. Vorn kam Doll nicht auf die Strümpfe, und Ballverluste (Fügner, Köller), mangelnde Präzision und wenig Bewegung ohne Ball mündeten kaum einmal in zündende, erfolgverheißende Angriffsaktionen. Einzig Thom, der alle Zweifel hinsichtlich seiner Jochbeinverletzung ausräumte, erzielte mit energischen Antritten anfangs Wirkung. Er besaß nach Solo auch die einzige Möglichkeit vor der Pause (!), scheiterte jedoch an Sigurdsson (22.). "Zur Halbzeit mußte ich etwas lauter werden, aber es half." Helmut Jäschke verriet es, der nicht vergeblich mehr Konsequenz, mehr Dynamik und Entschlossenheit aus allen Reihen heraus gefordert hatte. Nun nämlich präsentierte sich seine Elf als homogene Einheit, gewann an Ballsicherheit und Kompaktheit.

Dabei erwies sich die Hereinnahme  von Küttner als Gewinn, der allerdings nach Paß von Ernst (66.) allein durchlaufend das Leder auch nicht am Valur-Schlußmann vorbeibekam. Famos der Ausgleichstreffer von Heiko Bonan, diesmal der Laufstärkste und Wirkungsvollste im Mittelfeld. Doll-Ksienzyk leisteten rechts die Vorarbeit, "ich lief und sprang in den Ball hinein, die Isländer blieben stehen", kommentierte aufgeräumt der Schütze seinen Kopfballtreffer, in seinem zweiten EC-Spiel! Und dann kam der Auftritt von Thom, der erneut gegen die Isländer "sein" Tor schoß. Nach kurzem Dribbling zog er wuchtig aus 20 Metern ab und erwischte Sigursson, da das Leder noch leicht abgelenkt wurde, auf dem "falschen Fuß". Damit war der erfolgreiche Auftakt, der beim 19fachen isländischen Meister durchaus einer von Wert ist, perfekt. Die Frage jedoch müssen sich die Dynamos gefallen lassen: Warum nicht von Beginn an so konsequent und entschlossen?

FC Knattspyrnufelagid Valur Reykjavik:
Sigurdsson; Thrainsson; Jonsson, Petursson, Tomasson; Askelsson, Baldursson, I. Gudmundsson, Adolfsson; L. Gudmundsson (75. Kristjansson), Bragason
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Reich; Ksienzyk, Herzog, Schulz, Köller; Fügner (60. Küttner), Ernst, Bonan; Thom, Doll

1:0 Askelsson          (36.)
1:1 Bonan              (70.)
1:2 Thom               (75.)

Schiedsrichter:        Purcel (Irland)
Zuschauer:             1.000


Klaus Thiemann, Neue Fußballwoche, 19.09.1989