Europacup der Landesmeister 1988/89 - 1. Runde Hinspiel: BFC Dynamo - SV Werder Bremen 3:0

Unser Titelträger imponierte mit einer großartigen taktischen Leistung / Hervorragendes Konterspiel war Grundlage für in jeder Phase überzeugenden Erfolg
Berlin erlebte einen großen Fußballabend. Dafür sorgte ein famos aufspielender BFC Dynamo, der im Hinspiel des Europapokals der Landesmeister den BRD-Titelträger Werder Bremen 3:0 bezwang und sich damit eine recht hoffnungsvolle Ausgangsposition für die zweite Begegnung schuf. Mit Riesenbeifall wurde der BFC nach dem Abpfiff in die Kabinen begleitet. Der klare Erfolg war in erster Linie Resultat einer hervorragenden taktischen Einstellung. Unter den 24.000 Zuschauern im ausverkauften Berliner Jahn-Sportpark befanden sich die Mitglieder des ZK der SED Werner Krolikowski, Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Erich Mielke, Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo, und Günter Schabowski, 1. Sekretär der Bezirksleitung Berlin der SED, die Kandidaten des Politbüros des ZK der SED Inge Lange und Gerhard Schürer sowie Berlins Oberbürgermeister Erhard Krack.

Anwesend waren Willy Brandt, Ehrenvorsitzender der SPD, und Klaus Wedemeier, Präsident des Senats und Bürgermeister von Bremen. Zu den Gästen zählte der Regierende Bürgermeister von Berlin (West), Eberhard Diepgen. BFC-Trainer Jürgen Bogs hatte seinen Schützlingen eingeschärft, vor allem aus einer sicheren Deckung heraus Angriffsaktionen zu starten. Dieses Konzept ging besonders in der zweiten Hälfte auf, da die Konter des Gastgebers zuweilen wie aus dem Lehrbuch gespielt und erfolgreich abgeschlossen wurden. Das Spiel wurde von beiden Mannschaften recht offensiv begonnen. Kein Wunder, denn beide Trainer hatten vor dem Anpfiff angekündigt, möglichst Tore zu erzielen, um sich für das Rückspiel eine gute Ausgangsposition zu schaffen.

So gab es vor beiden Toren auch gleich zu Beginn etliche brenzlige Situationen. Nach einem genauen Paß von Ernst auf Pastor war plötzlich die gesamte Bremer Abwehr aufgerissen. Erstmals wurde BFC-Torwart Rudwaleit nach einer Direktkombination von Wolter geprüft (13.). Drei Minuten später dann Torjubel im weiten Rund des Jahn-Sportparks. Libero Rohde erkämpfte sich an der Strafraumgrenze den Ball, behauptete ihn gegen zwei attackierende Bremer, setzte dann mit einer temperierten Vorlage Doll in Aktion, der einen Bremer Abwehrspieler narrte und den Ball in die lange Ecke des Bremer Tores schoß. Nun mußten die Gäste ihre Abwehr noch mehr öffnen, so daß sich für den BFC einige Räume für Konter boten.

Zumeist war Andreas Thom an den gefährlichen Aktionen des DDR-Meisters beteiligt. In der Abwehr gab sich der Gastgeber dank der umsichtigen Organisation von Rohde keine Blöße. Nach dem Wiederanpfiff hatte der BRD-Meister seine beste Zeit. Rudwaleit mußte in der 57. Kopf und Kragen riskieren, um ein Tohuwabohu vor seinem Gehäuse zu entschärfen. Die Vorentscheidung des Spiels leitete dann Thomas Doll ein, der sich auf der linken Seite gleich gegen mehrere Bremer Abwehrspieler behauptete und mit klugem Paß sein Pendant Andreas Thom freispielte, der mit wuchtigem und plaziertem Kopfball das 2:0 erzielte. Die Reaktion der Gäste: Sie stiegen noch härter ein. So erhielt BRD-Auswahlspieler Gunnar Sauer wegen Foulspiels gegen Pastor die Gelbe Karte (später auch Michael Schulz).

Der BFC ließ sich aber nicht von seiner Linie abbringen und zeigte auch danach mustergültige Konter. Einer davon, von Rainer Ernst eingeleitet, über Thom auf der rechten Seite vorangebracht, wurde von Frank Pastor mit dem 3:0 abgeschlossen. Natürlich ist dieses 3:0 noch kein Garant für das Weiterkommen der Berliner, doch stehen die Chancen recht günstig. Bremen muß nun auf eigenem Platz noch mehr den Torerfolg suchen, und daß die BFC-Angreifer zu kontern verstehen, haben sie am Dienstagabend eindrucksvoll demonstriert. Vor allem aber sollte dieser Erfolg der Mannschaft weiteres Selbstvertrauen geben.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Herzog, Reich, Köller; M. Schulz (88. Anders), Ernst, Küttner; Doll, Pastor (89. B. Schulz), Thom
SV Werder Bremen:
Reck; Sauer; Kutzop, Bratseth, Borowka (46. Hermann); Wolter, Votava, Otten, Meier; Riedle, Skogheim (57. Burgsmüller)

1:0 Doll               (16.)
2:0 Thom               (62.)
3:0 Pastor             (77.)

Schiedsrichter:        Van Langenhove (Belgien)
Zuschauer:             24.000

Max Schlosser, Neues Deutschland, 07.09.1988