Europacup der Landesmeister 1985/86 - 1. Runde Rückspiel: FK Austria Memphis Wien - BFC Dynamo 2:1

Lange Zeit "Veilchen getrotzt - mehr nicht!
Auf dem Weg von der Tribüne zur Pressekonferenz begegnete ich als erstem Ungarns Verbandspräsidenten, den früheren Radsportler György Szepesi, der in UEFA-Funktion im Wiener Hanappi-Stadion weilte. "So schlecht, wie das mancher von euch gesehen haben will, war das meiner Ansicht nach nicht", sagte er zum Spiel des BFC. "Die Abwehr stand lange Zeit gut, die Mannschaft spielte solide, natürlich, die Angriffswirksamkeit war recht bescheiden." Auch Austria-Trainer Hermann Stessl fand unseren Titelträger "besser als in Berlin. Bis zu unserem ersten Tor hatten wir es sehr schwer. Ich glaube aber, wir haben uns verdientermaßen für die nächste Runde qualifiziert." Genauso sah es auch BFC-Trainer Jürgen Bogs. "Austria war die bessere, cleverere, reifere Mannschaft. Bei uns gab es im Gegensatz dazu ein zu großes Leistungsgefälle."

Alles, was nach dm recht flotten, mit vielen Torszenen - vor allem vor dem Berliner Gehäuse - gespickten Spiel an Werturteilen über den BFC zu hören war, berücksichtigte sowohl die Schattenseiten, aber auch die Lichtblicke. Da konnte man Herbert Prohaskas, des Austria-Kapitäns, Worte einbeziehen: "Ich hatte gleich gesagt, daß es so einfach, wie es sich manche vorstellten, nicht wird. Diese Elf will erst besiegt sein. Ein ziemlich ausgewogenes Team, das nur mehr solche Spieler wie Thom, Ernst und Rudwaleit haben müßte." Wie wahr! Leistungsgefälle, wie es Bogs nannte, und nur drei mit internationalen Ansprüchen, wie es Prohaska verstanden wissen wollte, reicht eben heutzutage gegen einen solch gewieften Widersacher nicht aus, um erfolgreich zu sein. Immerhin: Austria hat bislang 39 EC-Heimspiele bestritten, und nur Dynamo Kiew, Atletico Madrid, Steaua Bukarest und Beroe Stara Zagora brachten es fertig, in der Donau- und Walzerstadt Siege zu landen.

Gewiß, lange wehrte sich unser Meister, der in letzter Minute Libero Rohde ersetzen mußte, der sich beim Warmmachen eine Zerrung zugezogen hatte. Aber die Spielanlage, die Spielanteile machten doch die Unterschiede zu den Wienern für jedermann sichtbar. Konstruktives aus dem Mittelfeld der Berliner kam nur dann zustande, wenn Thom, der überall zu finden war, und mit Abstrichen Ernst ab und an den Kontern Qualität verliehen. Zumeist spielten dann die anderen, vor allem der nicht in Form befindliche Pastor, den Part nicht mit zu Ende. "Im Spiel nach vorn hatte ich mir mehr vorgestellt", kommentierte Frank Rohde. Zu viele "Stockfehler", auch vor beiden Austria-Treffern (zuerst Backs und Schulz zu ungestüm gegen den trickreichen Nyilasi, dann Backs´ Ballverlust und Prohaska-Flügellauf mit Steinkoglers raffiniertem Kopfball ins kurze Eck), glich großen Hemmschuhen.

Ein Glück, daß Rudwaleit sechsmal Schüsse von Polster, Nyilasi und Drabits großartig parierte, Prohaskas Kopfballverlängerung am Pfosten endete - es hätte schlimmer kommen können. Beim ersten wirklich gefährlichen BFC-Angriff in der 22. Minute, einem Sprint von Thom, drückte der nach wie vor emsige, zuweilen theatralisch hüpfende Wurtz ein Auge zu, als Prohaska nicht ganz astrein von hinten stieß. Zweimal kam Voß bei Eingaben von Thom und Grether zu spät, seinen plazierten Kopfball hielt Wohlfahrt effektvoll. Schulz traf dann endlich volley nach Ksienzyks Eckstoß. "Leider zu spät", schüttelte der Berliner später im Bus den Kopf. Ja, zu spät. Nur ein frühes Tor hätte die Austria vielleicht ins Wanken bringen können. Und eine allseits stabile BFC-Elf, der die erste Viertelstunde des Berliner Spiels, als sie sich praktisch selbst besiegte, wie ein Klotz am Bein hing.

FK Austria Memphis Wien:
Wohlfahrt; Obermayer; Dihanich, Frind (77. Baumeister), Türmer; Mustedanagic, Nyilasi, Prohaska; Drabits (81. Drazan), Polster, Steinkogler
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Ksienzyk, Schulz, Maek (71. Küttner); Grether, Ernst, Thom; Backs, Voß, Pastor (53. Hirsch)

1:0 Nyilasi            (60.)
2:0 Steinkogler        (82.)
2:1 Schulz             (90.)

Schiedsrichter:        Wurtz (Frankreich)
Zuschauer:             9.500


Joachim Pfitzner, Neue Fußballwoche, 09.10.1985